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Blackout

Blackout

Titel: Blackout Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jonathan Kellerman
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weiter zurückgesetzt. Plötzlich endete sie unvermittelt vor einem Zypressendickicht. Es gab kein Tor, keine Einfahrt, nur den Wald aus zehn Meter hohen Bäumen, und einen Augenblick lang dachte ich schon, ich hätte mich verfahren. Ich zog den Regenmantel an, stellte den Kragen hoch und stieg aus. Der Boden war dicht bedeckt mit Piniennadeln und nassem Laub. Ich ging hin zu dem Dickicht und spähte durch die Zweige. Zwanzig Meter entfernt, fast völlig verborgen durch wuchernde Äste und Zweige und die vom Regen tropfende Vegetation, war ein kurzer Plattenweg zu sehen, der zu einer Holztür führte. Die Zypressen waren gepflanzt worden, um den Eingang zu verdecken; der Größe nach zu urteilen, mußten sie mindestens zwanzig Jahre alt sein. Da man wohl ausschließen konnte, daß sich jemand zehn Meter hohe Zypressen vors Grundstück hatte setzen lassen, folgerte ich daraus, daß es einige Zeit her sein mußte, seit hier zuletzt normales Leben stattgefunden hatte.
    Ich kämpfte mich bis zum Tor durch und versuchte, es zu öffnen. Zugenagelt. Ich schaute es genauer an: jeweils zwei dicke Redwoodbohlen, die durch Türangeln an gemauerten Steinsäulen befestigt waren. Die Säulen waren ihrerseits mit einem Maschendraht verbunden, an dessen Oberkante sich verrosteter Stacheldraht rollte. Aber nirgends Anzeichen für elektronische Warnanlagen oder Stolperdrähte. Ich fand sicheren Halt auf einem größeren Felsen rechts neben der einen der beiden Säulen, rutschte aber dennoch ein paarmal aus, bevor es mir gelang, über das Tor zu klettern.
    Ich landete in einer anderen Welt. Vor mir breitete sich die Wildnis aus; wo früher einmal gepflegte Rasenflächen waren, wucherten jetzt hüfthoch Gras, Unkraut und Disteln. Zwischen Felsen schien das Land an mehreren Stellen abgesunken zu sein, so daß hier kleine Tümpel entstanden waren, eine Oase für Stechmücken und Gelsen, die über mir schwirrten. Ehedem mächtige und edle Bäume waren nur noch gezackte Stümpfe und auf dem Boden liegende, vom Moos überwucherte Stämme. Verrostete Autoteile, alte Reifen und weggeworfene, leere Dosen waren überall verstreut, so daß das Ganze wie eine große Müllkippe aussah. Der Regen fiel auf das Metall, und die Tropfen riefen ein hohl klingendes Geräusch hervor.
    Ich ging über einen Weg, der im Fischgrätmuster mit Ziegelsteinen gepflastert war und den jetzt Gräser an den Seiten überwucherten und schleimiges Moos bedeckte. An den Stellen, wo die Wurzeln durchgebrochen waren, ragten die Ziegelsteine wie lose Zähne in einem zerstörten Gebiß empor. Ich stieß mit dem Fuß eine ertrunkene Feldmaus zur Seite und näherte mich der ehemaligen Residenz des Hickle-Clans. Das Haus war ein massiver, dreistöckiger Bau aus handbehauenem Stein, der mit dem Alter schwarz geworden war. Ich konnte mir nicht vorstellen, daß es jemals schön gewesen sein sollte, aber es war zweifellos imposant: ein dunkel lastendes, schiefergedecktes Herrenhaus, ausgestattet mit Zuckerbäckerzierat, mit Gesimsen und Ziergiebeln, und umgeben von breiten Steinveranden. Auf der vorderen Veranda standen verrostete, schmiedeeiserne Gartenmöbel, der Eingang war eine an die drei Meter hohe Kathedralen-Doppeltür, und oben auf dem höchsten Giebel des Hauses war eine Wetterfahne angebracht in Gestalt einer Hexe, die auf einem Besen ritt. Die Alte wirbelte im Wind, hoch über der Trostlosigkeit des Hauses. Ich ging die Treppe hinauf zum Vordereingang. Gras wucherte bis hinauf zur Tür, die mit Brettern zugenagelt war. Die Fenster waren ebenso vernagelt. Trotz seiner Größe, oder vielleicht gerade deshalb, wirkte das Haus bemitleidenswert, eine vergessene Witwe, so verlassen und vereinsamt, daß sie sich nicht mehr darum kümmerte, wie sie aussah, und wußte, daß ein Dahinsiechen im Verfall ihr unumgängliches Schicksal war.
    Ich kämpfte mich durch eine Barriere verfaulter Bretter, die vor der Portecochere aufgerichtet war. Das Haupthaus war mindestens fünfzig Meter breit, und ich brauchte einige Zeit, um alle Fenster im Parterre zu überprüfen - ohne Glück: Sie waren verriegelt und mit Brettern vernagelt wie die ersten neben der Tür.
    Hinter dem Haus erstreckten sich wieder drei Morgen sumpfiges Land. Eine Garage mit vier Doppeltüren, eine Miniaturausgabe des Hauses, war ebenso wie das Hauptgebäude vernagelt und verschlossen. Der zwanzig Meter lange Swimmingpool war leer bis auf ein paar Pfützen, in denen aller möglicher organischer Abfall verfaulte. Vom

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