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Blackout

Blackout

Titel: Blackout Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jonathan Kellerman
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das feuchte, hungrige, zähneknirschende Maul, die Augen mit den orangefarbenen Punkten, die sich auf ihr Ziel gerichtet hatten, alles in Bruchteilen einer Sekunde. Und noch während dieser Sekunde warf ich mich zur Seite, ließ mich auf die Knie fallen und machte einen Hechtsprung auf die Heugabel zu. Meine Finger schlossen sich um einen hölzernen Stiel; ich packte ihn und fuhr wieder hoch.
    Er kam auf mich zu, ein tonnenschweres, behaartes Ungeheuer, drückte mir die Luft aus der Lunge, und die Pfoten und Zähne kratzten und schnappten nach mir. Etwas drang durch den Stoff, dann durchs Leder bis auf die Haut. Schmerz schoß durch meinen Arm vom Ellbogen bis zur Schulter, stechend und Übelkeit erregend. Der Stiel der Heugabel rutschte mir aus der Hand. Ich schützte mein Gesicht mit dem einen Arm, als Otto mit seiner feuchten Nase an mir schnupperte und versuchte, seine Zähne in meine Kehle zu senken. Ich drehte mich weg, langte blind nach der Gabel, bekam sie zu fassen, verlor und fand sie erneut. Dann hämmerte ich meine Faust dem Hund auf den Schädel. Es war, wie wenn man gegen Marmor boxte. Der Hund stellte sich auf die Hinterbeine, brüllte vor Zorn und warf sich dann wieder nach unten, in meine Richtung. Ich drehte im letzten Augenblick die Gabel mit den Zinken nach oben. Er kam mit seinem ganzen Gewicht über mich. Meine Beine gaben nach, und ich fiel in den Dreck. Ich kämpfte ums Bewußtsein; die Luft ging mir aus, und ich bemühte mich, den Stiel der Gabel nicht loszulassen. Dann plötzlich begann das Tier schrill zu jaulen; zugleich wurde mir bewußt, daß die Zinken der Gabel gegen Knochen stießen, nachdem ich den Stiel gedreht hatte. Und die Zinken drangen in seinen Leib ein wie ein warmes Messer in Butter. Wir umarmten uns, ich hatte die Zunge des Hundes am Ohr, während das Tier das Maul aufriß in Agonie, bereit, mir einen Fetzen Fleisch aus dem Gesicht zu reißen. Jetzt drückte ich mit aller Gewalt gegen die Heugabel, stieß und drehte den Stiel und merkte, daß im Hintergrund eine Frauenstimme aufschrie. Der Hund jaulte wie ein Welpe. Die Zinken drangen noch ein paar Zentimeter tiefer ein. Der Hund öffnete die Augen in gekränktem Stolz, blinzelte und schloß sie dann wieder. Der riesige Körper zuckte über mir. Ein Blutstrom schoß aus seinem Maul und spritzte mir auf Nase, Lippen und Kinn. Ich würgte, dann wich das Leben aus dem Tier, und es gelang mir, mich von der Last zu befreien.
    Das Ganze hatte kaum länger als eine halbe Minute gedauert. Kim Hickle schaute erst den toten Hund an, dann richtete sie ihren Blick auf mich, und gleich danach machte sie einen Satz in Richtung auf die Tür. Ich stieß mich hoch, riß die Heugabel aus der Brust des Hundes und blockierte der Frau damit den Weg nach draußen.
    »Gehen Sie zurück«, keuchte ich. Sie erstarrte. Im Gewächshaus war es still. Der Regen hatte aufgehört. Die Stille wurde von einem leisen, grollenden Geräusch unterbrochen: Die Luftblasen, die aus dem Leib des toten Tiers drangen. Ein wenig Kot folgte; er lief die schlaffen Beine entlang auf den Boden.
    Sie sah es und begann zu schreien. Dann versagten ihre Beine, und sie setzte sich auf den Boden mit dem hoffnungslosen, betäubten Blick des ertappten Flüchtlings. Ich rammte die Heugabel in den Boden und lehnte mich dagegen. Es dauerte eine ganze Minute, bis ich wieder halbwegs normal atmete, dann brauchte ich noch zwei oder drei Minuten, um den Schaden zu besichtigen. Der Regenmantel war ruiniert, zerfetzt und blutbefleckt. Mit einiger Mühe zog ich ihn aus und ließ ihn auf den Boden fallen. Ein Ärmel der Lederjacke war zerrissen. Ich zog auch sie aus und rollte dann den Ärmel des Rollkragenpullovers hoch, inspizierte meinen Bizeps. Die dicke Kleidung hatte das Schlimmste verhindert, aber es war dennoch alles andere als schön: drei Bißwunden, die bereits zu schwellen begannen, umgeben von mehreren Schürfstellen. Der Arm fühlte sich steif an und schmerzte. Ich bewegte ihn und stellte fest, daß kein Knochen gebrochen war. Dann überprüfte ich meine Rippen und die anderen Gliedmaßen, und obwohl mein Körper fast unerträglich schmerzte, schien auch sonst nichts schwerer verletzt zu sein. Danach streckte ich mich vorsichtig in einer Lockerungsübung, die ich bei Jaroslav gelernt hatte, und fühlte mich tatsächlich ein wenig besser. »Ist Otto wenigstens geimpft gewesen?« fragte ich Sie gab keine Antwort. Ich wiederholte die Frage und unterstrich sie mit einer Geste in

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