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Blackout

Blackout

Titel: Blackout Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jonathan Kellerman
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Obstgarten und einem Rosengarten mit Spalieren war nur noch ein Durcheinander aus abblätternden Latten und gesprungenen Betonstützen zu sehen, auf dem ein Vogelnetz verdorrter Zweige ruhte. Steinbänke und Statuen hingen schräg auf zerbröckelten Fundamenten, Pompeji nach dem Ausbruch des Vesuvs.
    Inzwischen hatte es heftiger und kälter zu regnen begonnen. Ich steckte die Hände in die Taschen meines Popelinmantels, der mittlerweile durchgeweicht war, und sah mich nach einem schützenden Dach um. Aber man hätte Werkzeug - Hammer und Brechstange - gebraucht, um in das Haus oder die Garage eindringen zu können, und es gab keine größeren Bäume, die nicht bei der nächsten stärkeren Sturmbö umzustürzen drohten.
    Dann sah ich irgendwo ein Licht blitzen und machte mich auf den Donner gefaßt. Aber der blieb aus; dafür blitzte es wieder. Durch den dichten Regen war es schwer zu erkennen, aber als das Licht zum drittenmal aufleuchtete, konnte ich seinen Ursprung ungefähr ausmachen und ging darauf zu. Ein paar Schritte später merkte ich, daß es aus einem Treibhaus zu stammen schien, das nicht weit vom zerstörten Obstgarten entfernt stand. Die Scheiben waren trübe vom Schmutz, aber offenbar intakt. Jetzt lief ich darauf zu und folgte dem Licht, das dort flackerte, tanzte, verschwand und wieder zu flackern begann.
    Die Tür zum Treibhaus war geschlossen, gab aber meinem Druck auf die Klinke geräuschlos nach. Drinnen war es warm und feucht und roch säuerlich nach Fäulnis. Hüfthohe Tische standen auf beiden Seiten des Glashauses, und dazwischen gab es einen Durchgang, dessen Boden mit Sägespänen, Torf und Erde bedeckt war. Eine Sammlung von Gartengeräten - Heugabeln, Rechen, Spaten und Harken - stand in einer Ecke. Auf den Tischen gab es Töpfe mit üppig blühenden Pflanzen: Orchideen, Bromelien, blaue Hortensien, Begonien in allen Schattierungen, rote und weiße Fleißige Lieschen- alle in voller Blüte und üppig aus den Terrakotta-Töpfen wuchernd. Über den Tischen waren hölzerne Stangen mit Haken angebracht, und dort hingen Fuchsien, Farne, Efeu und andere Hängepflanzen. Der Garten Eden mitten in der Wildnis. Der Raum war nur schwach erhellt und dröhnte vom Regen, der gegen die Glasscheiben trommelte. Das Licht, das mich angelockt hatte, war wieder zu sehen, jetzt heller und näher. Ich konnte eine Gestalt am anderen Ende des Gewächshauses erkennen, eine Gestalt in gelbem Ölzeug, mit einer großen Taschenlampe in der Hand. Die Gestalt richtete das Licht der Taschenlampe auf die Pflanzen, zupfte hier ein Blatt und dort eine Blüte, prüfte die Feuchtigkeit der Erde, zwickte einen trockenen Zweig ab und stützte damit eine volle, schwere Blüte. »Hallo«, sagte ich.
    Die Gestalt wirbelte herum, und das Licht der Taschenlampe glitt über mein Gesicht. Ich blinzelte und hielt die Hand hoch, um meine Augen abzuschirmen. Die Gestalt kam näher.
    »Wer sind Sie?« fragte eine Stimme, hoch und verängstigt. »Alex Delaware.«
    Der Lichtstrahl senkte sich. Ich war dabei, einen Schritt darauf zuzugehen.
    »Bleiben Sie, wo Sie sind.«
    Also stellte ich meinen Fuß wieder auf den Boden. Jetzt wurde die Kapuze zurückgeschlagen. Das Gesicht darunter war rund, blaß, flach, asiatisch und weiblich, aber nicht feminin. Die Augen waren zwei rasiermesserdünne Schlitze im Pergament der Haut, der Mund ein humorloser Gedankenstrich.
    »Hallo, Mrs. Hickle.«
    »Woher kennen Sie mich - was wollen Sie?« In ihrer Stimme lag Härte, die freilich durch die Angst gemildert wurde - die Härte des erfolgreichen Flüchtlings, der weiß, daß er noch immer auf der Hut sein muß.
    »Ich dachte mir, es wäre vielleicht gut, wenn ich Ihnen einen Besuch abstatte.«
    »Ich will keine Besucher. Ich kenne Sie nicht.«
    »Wirklich nicht? Alex Delaware - sagt Ihnen der Name nichts?« Sie machte sich nicht die Mühe zu lügen, sondern schwieg einfach. . »Immerhin hat Ihr Mann, Stuart Hickle, sich mein Büro ausgesucht für seine letzte große Szene- aber vielleicht hat diese Wahl auch jemand anders für ihn getroffen.«
    »Ich weiß überhaupt nicht, wovon Sie reden. Und ich habe keine Lust, Ihre Gesellschaft zu ertragen.« Ihr Englisch klang abgehackt, und ein leichter Akzent war nicht zu überhören. »Warum rufen Sie nicht den Butler und lassen mich hinauswerfen?«
    Ihre Kiefernmuskeln arbeiteten; weiße Finger klammerten sich um die Taschenlampe.
    »Sie wollen also nicht gehen?«
    »Es ist naß und kalt draußen. Ich bin froh,

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