Blackout
Verrücktheiten angefangen hat. Vielleicht war es meine Schuld«, fügte sie mit wunder Stimme hinzu. »Weil ich ihn nicht befriedigt habe.«
»Nein. Er war ein Mann mit großen Problemen. Sie brauchen dafür keine Verantwortung zu übernehmen«, sagte ich nicht ganz aufrichtig. Aber ich wollte vermeiden, daß daraus eine Selbstbezichtigungs-Orgie wurde.
»Ich weiß es nicht. Auch jetzt noch kommt es mir so unwirklich vor. Die Zeitungen, all diese Geschichten über ihn. Über uns. Er war so ein liebenswürdiger Mann, gütig, sanft, leise.« Ich hatte ähnliche Beschreibungen von Kinderschändern gehört. Oft waren es außergewöhnlich sanfte, liebenswürdige Männer mit der naturgegebenen Fähigkeit, gute Beziehungen zu ihren Opfern herzustellen. Aber es war im Grunde kein Wunder: Kinder schenken nie und nimmer einem unrasierten Ungeheuer in einem verdreckten Trenchcoat ihr Vertrauen. Statt dessen fühlen sie sich hingezogen zum ›Guten‹ Onkel, der soviel netter ist als die Eltern und alle anderen Erwachsenen, die sie einfach nicht verstehen wollen. Zum Onkel mit den Zaubertricks und der Sammlung von Baseball-Sammelbildern und wunderbaren Spielsachen in seinem Haus, und Mopeds und Videorekordern und Kameras und lustigen, ein bißchen unheimlichen Büchern und…
»Sie müssen verstehen, wie sehr ich ihn geliebt habe«, sagte sie. »Er hat mir das Leben gerettet. Er war ein Amerikaner. Er war reich. Er sagte, daß er mich liebt. ›Meine kleine Geisha‹, so hat er mich immer genannt. Ich habe gelacht und geantwortet: ›Nein, ich bin doch Koreanerin, du Dunmmkopf. Und die Japaner sind Schweine!‹ Aber er hat nur gelächelt und mich doch wieder kleine Geisha genannt.
Wir haben vier Monate in Seoul zusammen gewohnt. Ich habe gewartet, daß er abends aus der Kaserne nach Hause kam, habe für ihn gekocht und saubergemacht und ihm die Hausschuhe gebracht. Ich war seine Frau. Als er entlassen wurde, sagte er mir, er würde mich mitnehmen in die Staaten. Ich war im siebten Himmel. Natürlich wollte seine Familie - es gab nur noch seine Mutter und ein paar ältere Tanten - nichts mit mir zu tun haben, aber das war Stuart egal. Er hatte sein eigenes Geld, aus einem Vermögen, das sein Vater für ihn angelegt hatte.
Wir reisten zusammen nach Los Angeles. Er sagte, daß er dort zur Schule gegangen sei - er hat Medizin studiert, aber dann abgebrochen, weil er es nicht geschafft hat. Also hat er sich einen Job als medizinisch-technischer Assistent gesucht. Er brauchte eigentlich gar nicht zu arbeiten, und es war ja auch ein Job, der sich nicht rentierte, aber er hat ihn gemocht und gesagt, daß er auf diese Weise Beschäftigung hat. Er mochte diese Apparate, die Meßgeräte und die Teströhrchen und das alles. Er war immer ein Tüftler, der gern herumbastelte. Hat mir seinen ganzen Verdienst gegeben, als wenn es nur Taschengeld gewesen wäre, und ich konnte ihn ausgeben, wie ich wollte.
So haben wir drei Jahre miteinander gelebt. Ich wollte heiraten, aber ich brachte es nicht fertig, ihn zu fragen. Ich brauchte eine Weile, bis ich mich an die amerikanische Lebensweise gewöhnt hatte, zum Beispiel daran, daß Frauen nicht nur persönlicher Besitz des Mannes waren, sondern auch ihre Rechte hatten. Ich drängte ihn schließlich, als ich Kinder haben wollte. Stuart war es eher gleichgültig, aber er hat dann doch mitgemacht. Wir haben geheiratet. Ich habe alles unternommen, um schwanger zu werden, aber es ging nicht. Ich habe Ärzte besucht, an der UCLA, in Stanford und an der Mayo-Klinik. Sie sagten alle, daß ich zu sehr vernarbt bin. Es hätte mich nicht zu wundern brauchen; ich war ja so krank gewesen, damals in Korea, aber ich wollte es einfach nicht glauben. Rückblickend ist mir jetzt klar, wie gut es war, daß wir keine eigenen Kinder hatten. Aber damals, als ich es einfach akzeptieren mußte, bin ich sehr traurig gewesen. Habe mich zurückgezogen, wollte kaum noch essen. Stuart konnte es auf die Dauer nicht ertragen. Er schlug vor, daß ich auf die Schule gehen sollte. Wenn ich Kinder so sehr liebte, könnte ich ja mit ihnen arbeiten, als Lehrerin. Er hat vielleicht seine eigenen Motive gehabt, aber er schien um mich besorgt zu sein - immer, wenn ich krank oder deprimiert war, hat er sich als wunderbarer Mann erwiesen. Ich machte die beiden letzten Highschool-Jahre nach, ging dann aufs College und lernte viel. Ich war eine gute Studentin«, sagte sie und lächelte zu der Erinnerung. »Sehr motiviert. Zum erstenmal
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