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Blackout

Blackout

Titel: Blackout Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jonathan Kellerman
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war ich draußen in der Welt, zusammen mit anderen Leuten; bis dahin war ich wirklich Stuarts kleine Geisha gewesen. Jetzt begann ich für mich selbst zu denken. Aber zugleich zog er sich mehr und mehr von mir zurück. Es gab keinen Ärger, keine Abneigung, die er in Worte gefaßt hätte. Er verbrachte einfach mehr Zeit mit seinen Kameras und seinen Vogelbüchern- er las gern Bücher und Zeitschriften über die Natur, obwohl er nie gewandert ist. Ein Vogelliebhaber vom Sessel aus. Er hat überhaupt gern bequem zu Hause gesessen.
    Wir waren wie zwei entfernte Verwandte, die im selben Haus wohnten. Aber es machte uns beiden nichts aus; wir waren beschäftigt. Ich habe in jeder freien Minute studiert; nun wußte ich, daß ich weiterkommen wollte als nur bis zum Bakkalaureat. Ich wollte ein Diplom als Kindererzieherin für die ganz Kleinen erwerben. Wir sind unsere eigenen Wege gegangen. Es gab Wochen, in denen wir uns so gut wie nie sahen. Es gab nichts Gemeinsames mehr, keine Ehe. Aber auch keine Scheidung- wozu auch? Wir stritten nicht! Sagten uns, leben und leben lassen. Meine neuen Freunde, die Freunde aus dem College, redeten mir ein, daß ich frei sei und froh sein könne, einen Mann zu haben, der mich nicht dauernd störte. Wenn ich mich einsam fühlte, vergrub ich mich um so mehr in mein Studium.
    Ich schaffte das Diplom, und ich praktizierte an Vorschulen in der Umgebung. Es machte mir Spaß, mit den Kleinen zu arbeiten, aber ich dachte, ich könnte eine bessere Schule einrichten als die, welche ich gesehen hatte. Ich sagte es Stuart, und er meinte, ja, wenn es mich freut - er hätte alles getan, damit wir uns nicht im Weg waren. Wir kauften ein großes Haus in Brentwood - es schien immer genug Geld für alles zu geben, was man haben wollte-, und ich eröffnete Kim’s Korner. Es war ein wundervoller Kinderhort, eine wunderbare Zeit. Jetzt machte es mir nichts mehr aus, daß ich selbst keine Kinder bekommen konnte. Und dann hat er -« Sie hielt inne, bedeckte sich das Gesicht mit den Händen und wippte vor und zurück.
    Ich stand auf und legte eine Hand auf ihre Schulter. »Bitte, tun Sie das nicht. Es ist nicht recht. Ich habe versucht, Sie mit Otto umzubringen.« Jetzt hob sie das glatte, tränenlose Gesicht. »Verstehen Sie das? Ich wollte, daß er Sie tötet. Und Sie sind so nett und verständnisvoll. Ich fühle mich ganz schrecklich.«
    Ich nahm die Hand weg und setzte mich wieder.
    »Wozu brauchen Sie Otto - wovor haben Sie Angst?«
    »Ich dachte, Sie kämen von denen, die Stuart umgebracht haben.«
    »Offiziell hieß es, er hätte Selbstmord begangen.« Sie schüttelte den Kopf.
    »Nein. Er hat sich nicht das Leben genommen. Sie sagten, er hätte Depressionen gehabt. Das war eine Lüge. Natürlich, zuerst, als man ihn festgenommen hat, war er sehr deprimiert. Schuldbewußt und erniedrigt. Aber er ist schnell darüber hinweggekommen. So war Stuart: Er konnte die Wirklichkeit so schnell verblassen lassen, wie wenn man einen belichteten Film aus der Spule zieht. Puff, und die Bilder sind fort. Am Tag vor seiner Verhandlung haben wir miteinander telefoniert. Er war bei bester Laune. Wenn man ihn reden hörte, hätte man glauben können, die Festnahme war das beste, was ihm passieren konnte - und uns beiden. Er war krank, und nun würde man ihm helfen. Wir würden ganz von vorn anfangen, sobald er aus dem Krankenhaus entlassen sei. Ich könnte eine neue Schule aufmachen, in einer anderen Stadt. Er schlug Seattle vor und sprach davon, in das Haus der Familie zurückzukehren… So bin ich auf den Gedanken gekommen, hierherzufahren. Ich wußte, daß es nie dazu kommen würde. Damals hatte ich mich entschlossen, ihn zu verlassen. Aber ich ließ ihn reden, sagte, ja, Darling, natürlich, Stuart. Später sprachen wir noch öfters darüber, und es war immer dasselbe. Das Leben würde besser werden als je zuvor. Er redete auf keinen Fall wie ein Mensch, der entschlossen war, sich eine Kugel in den Kopf zu jagen.«
    »Das kann man nicht so einfach sagen. Gerade nach einem Stimmungshoch finden die meisten Selbstmorde statt. Sie wissen ja, die Hochsaison für Selbstmorde ist der Frühling.«
    »Vielleicht. Aber ich kannte Stuart, und ich wußte, daß er sich nie und nimmer das Leben nehmen würde. Er war viel zu oberflächlich, als daß er sich durch diese Festnahme allzu lange bedrücken ließ. Er konnte so tun, als sei alles nicht gewesen. Er hatte jahrelang so getan, als hätte es mich gar nicht gegeben, oder unsere

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