Blackout (German Edition)
Schallplatten auch. Wenn er Glück hatte, lagerten sie auf dem Dachboden. Genauso gut könnten sie auch im Müll gelandet sein. Auf dem Bett lag ein unsäglicher Bettüberwurf, sein Boxsackhing nicht mehr von der Decke, die Wände leuchteten pastellgrün. Pastellgrün! Nick drehte sich um und stürmte aus dem Haus. Er lief über den großen Platz und lehnte sich an Caduffs Wagen. Nach einer Weile hörte er Schritte auf dem Kies. Caduff stellte sich neben ihn und zündete sich eine Zigarette an. Er hielt Nick auch eine hin. Schweigend rauchten sie.
»Hier bleibe ich keine Minute länger«, sagte Nick.
»Und wo willst du hin?«
Nick wusste keine Antwort. Er sah Susanna mit ihren verweinten Augen vor sich und hörte Martin sagen, dass sie ihn nie hätten aufnehmen sollen.
»Verdammt! Lochen Sie mich ein. Sie werden schon einen Grund finden. Fluchtgefahr oder was immer. Egal, wie Sie es anstellen, bringen Sie mich weg von hier.«
Nick setzte sich in den Wagen und schloss die Tür mit einem lauten Knall. Caduff rauchte seine Zigarette fertig, dann ließ er die Kippe auf den Kiesplatz fallen und stieg ein. Nachdenklich saß er da, seine Hände auf dem Steuerrad, seinen Blick ins Leere gerichtet. Als er losfuhr, drehten die Räder des Wagens auf dem Kies kurz durch. Nick schloss die Augen. Es war alles egal, nichts würde je wieder gut werden, nie mehr.
Erst als der Wagen anhielt, öffnete er die Augen wieder. Sie standen in der Auffahrt eines kleinen, alten Hauses.
»Ich habe keine Zelle für dich, Junge«, sagte Caduff und führte ihn in sein Haus.
Nick saß auf dem Sofa in Caduffs Wohnzimmer.
»Wann hast du das letzte Mal gegessen?«
»Weiß nicht«, antwortete Nick. Im Krankenhaus hatteer keinen Bissen runtergebracht und was davor gewesen war, daran konnte er sich nicht erinnern. Caduff ging in die Küche und kam mit Brot, Wurst, Käse und Orangensaft zurück. Allein der Geruch der Lebensmittel verursachte bei Nick Übelkeit.
»Ich kann nicht essen.«
»Haben sie dir im Krankenhaus etwas gegen die Folgen deines Trips gegeben?«
»Nein. Die werden sich gedacht haben, dass ich es verdiene, noch ein bisschen zu leiden.«
»Ich denke eher, dass sie sehr vorsichtig sein mussten mit Medikamenten. Und, leidest du?«
»Na ja, die Übelkeit kommt in Wellen, mir wird immer wieder schwindlig und mein Kopf tut beschissen weh.«
»Und du hast wirklich keine Ahnung, welche Drogen du genommen hast?«
»Nein. Verdammt. Nein.«
»Junge, du fluchst zu viel.«
Caduff goss Orangensaft in sein Glas und strich sich ein Brot.
»Die im Krankenhaus sind sich auch noch nicht sicher. Sie können sich deine Blutwerte nicht erklären. So, wie wir dich gefunden haben, hätten sie viel mehr Spuren finden müssen. Vielleicht GHB.« Er füllte ein zweites Glas mit Saft und schob es zu Nick rüber. »Trink. Wird dir guttun.«
»GHB?«, fragte Nick.
»Betäubt. Und lässt sich nachher kaum nachweisen. Wird manchmal von Kerlen in die Drinks von Mädchen geschüttet.«
Caduff biss in sein Brot. Nick zwang sich, einen Schluckzu trinken. Sofort begann sein Magen verrücktzuspielen. Er sprang auf und hielt die Hand vor den Mund.
»Zweite Tür links«, rief Caduff.
Nick riss die Tür zur Toilette auf. Es fühlte sich an, als ob er sich die ganze Angst aus dem Leib kotzte, aber sie war immer noch da, als er sich in Caduffs Wohnzimmer aufs Sofa plumpsen ließ und kurz darauf in einen tiefen Schlaf fiel.
Er erwachte mit rasenden Kopfschmerzen. Eine altmodische Stehlampe verbreitete ein schwaches Licht im Zimmer, Caduff schlief in einem Sessel neben ihm. Er hatte Nick mit einer Decke zugedeckt und den Saft und die Brote stehen lassen. Nick beobachtete ihn. Nicht mehr ganz jung, zerzauste Haare, Lachfalten um die Augen, groß und kräftig. Er trug immer noch seine Uniform. Leise stand Nick auf und ging ins Badezimmer. Er spülte sich den Mund aus und hielt seinen Kopf unter das kalte Wasser.
Seine Uhr zeigte Viertel vor sechs. Er hatte fast zwölf Stunden geschlafen! Zum ersten Mal seit seinem Erwachen im Krankenhaus meldete sich der Hunger. Er aß zwei Brote und wagte sich dann an den Orangensaft. Diesmal wurde ihm nicht übel. Allmählich ließ auch das Dröhnen in seinem Kopf nach.
Er ging zum Fenster und presste seine Stirn gegen das kalte Glas. Wenn er die Augen schloss, konnte er Carla sehen, wie sie sich zu Musik bewegte, die nur sie hören konnte. Sie lachte. Dann war sie weg. Als hätte sie jemand ausradiert. Und plötzlich
Weitere Kostenlose Bücher