Blackout (German Edition)
nicht gab.
»Nick?«
»Ja?«
»Das kam alles zusammen. Diese Ahnung, dass dein Vater die Firma verkaufen will. Die Enttäuschung darüber, dass er nicht mit mir darüber sprechen will. Dein Anruf. Plötzlich wurde mir bewusst, wie wenig dein Vater und ich uns zu sagen haben. Wie viel wir falsch gemacht haben. Ich brauchte einen Platz, wo ich in Ruhe nachdenken konnte. Deshalb fuhr ich hierher.«
Sie lächelte, ein tapferes Kleinmädchenlächeln.
Er hätte ihr gerne etwas Nettes gesagt, aber ihm fiel nichts ein.
»Ich geh dann jetzt«, sagte er matt.
»Brauchst du Geld?«
Eigentlich schon. Aber er wollte diesen Moment nicht kaputt machen, indem er sie darum bat.
Als er die Tür öffnete, blickte er direkt in die Augen eines Polizisten.
»Nicolas Bergamin?«
»Nein«, sagte Nick und versuchte, an dem Mann vorbeizukommen.
Der Polizist hielt ihn fest.
»Sind Sie seine Mutter?«, fragte er.
Sie nickte.
»Wir haben einen Anruf von Frau Erna Stieger bekommen. Sie sagt, Ihr Sohn habe ein Motorrad entwendet.«
»Das muss ein Irrtum sein«, antwortete Nicks Mutter. »Mein Mann hat es Nick erlaubt, mich mit dem Motorrad zu besuchen.«
»Dann müssen wir wohl auch mit ihm sprechen«, meinte der Polizist. »Ihr Sohn hat keinen Führerschein und obwohl er wegen einer Vermisstenanzeige für die Polizei Buchs jederzeit erreichbar sein sollte, ist er durch die halbe Schweiz zu Ihnen gefahren. Es besteht Fluchtgefahr. Ich muss ihn festnehmen.«
Nick drehte sich um und lächelte seine Mutter schief an. Sie hatte für ihn gelogen. Er konnte den Ausdruck in ihren Augen nicht deuten, aber es lag Wärme darin. Widerstandslos ließ er sich abführen.
14
D er Polizist ging auf Nummer sicher. Er legte Nick Handschellen an und fuhr ihn direkt nach Buchs. Dort empfing ihn Caduff in seinem Büro. Er schaute Nick grimmig an. Noch grimmiger war der Blick, den er seinem Kollegen zuwarf. »Handschellen? War das wirklich nötig?«
»Vielleicht nicht. Aber dieser Kerl hat die Bündner Polizei zu oft an der Nase herumgeführt. Es war mir ein Vergnügen, ihm die Dinger anzulegen. Das ist inoffiziell. Die offizielle Version lautet Fluchtgefahr.«
Caduff bugsierte seinen grinsenden Kollegen aus dem Zimmer. Er zog die Tür hinter sich zu, holte eine Flasche Mineralwasser aus einem uralten Kleinstkühlschrank, griff nach zwei Gläsern auf einem Regal, das genauso alt war wie der Kühlschrank, und setzte sich auf seinen Stuhl.
»Wird Zeit, dass wir ins neue Gebäude umziehen«, murmelte er und goss das Wasser in die Gläser. »Zwei Monate noch.« Er warf einen Blick auf die abenteuerlich gestapelten Aktenberge auf seinem Schreibtisch und seufzte. Während er einen freien Platz für die Gläser suchte, musterte er Nick.
»Setz dich!«, befahl er. »Du hast wirklich ein ungeheures Talent dafür, dich so richtig schön in die Scheiße zu reiten. Was hast du dir dabei gedacht?«
Nick schwieg.
»Setz dich hin!«, befahl Caduff noch mal. Doch Nick stand reglos da und klammerte sich an die Stuhllehne. Er hatte das Gefühl, sein Körper entziehe sich seiner Kontrolle. Er sah Bilder von Carla, wie sie tot an einem Fluss lag, ihre Augen weit offen, Blut auf ihrem Gesicht.
»Nick!«
Der Ruf schreckte Nick aus seiner Starre. Er setzte sich hin.
»Du bist ziemlich fertig, nicht wahr?«
Nick antwortete nicht.
»Ich habe heute eine Menge Leute befragt. Keiner kann sich vorstellen, dass Carla Drogen genommen hätte.«
Die Worte drangen nur langsam zu Nicks Hirn durch.
»Nick, was auch immer passiert ist, ich glaube, es ist nicht das, wonach es aussieht.«
Verwirrt schaute ihn Nick an.
»Ich habe mit Kristen Hess gesprochen. Sie meint, dass Carla etwas herausgefunden hat.«
»Ich weiß«, antwortete Nick, »aber ich bin ziemlich sicher, dass mein Vater nichts damit zu tun hat.«
»Aha, darum warst du in Celerina. Du hast deine Mutter gefragt, was sie von der Sache hält.«
»Ja.«
»Mit einem geklauten Motorrad und ohne Führerschein!«
»Ach, scheiß drauf«, entfuhr es Nick, »als ob das noch eine Rolle spielt.«
Caduff trank einen Schluck Mineralwasser.
»Weißt du, was mir auffällt?«, fragte er. »Dass du jedes Mal, wenn ich dir helfen will, anfängst zu fluchen.« Bedächtig schob er sein Glas etwas zur Seite und beugte sich vor. »Ich denke, das können wir uns schenken. Du nicht?«
Verlegen blickte Nick auf einen der dicken Stapel.
»Was hättest du als Nächstes getan?«, fragte Caduff.
»Wenn der Bulle mich nicht
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