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Blackout (German Edition)

Blackout (German Edition)

Titel: Blackout (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alice Gabathuler
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Glück.«
    »Kann ich brauchen. Ach, sag mal, Simon, ich habe vorher auf der Treppe einen komischen Typen gesehen.«
    Durch Forsters Körper ging ein Ruck. »Was meinst du?«
    »Na, so einen, der nicht in die Firma passt. Groß, blond, hager. Trug Jeans und eine Lederjacke. Nicht gerade das, was man bei euch trägt.«
    »Bist du sicher?«
    »Ja.«
    »Vielleicht ein Bote, der etwas geliefert hat. Ich werde der Sache nachgehen.« Forster sah besorgt aus. Er ließ Nick im Flur stehen und zog sich zurück.
    Ohne anzuklopfen betrat Nick das Büro. Sein Vater stand am Fenster und drehte sich erst um, als Nick die Tür hinter sich geschlossen hatte.
    »Hallo, Nicolas.«
    »Hallo.« Nick versteckte seine Hände in den Hosentaschen. »Ich möchte mit dir sprechen.«
    »Worüber?«
    »Ich habe ein Problem.«
    »Ah ja?«
    Nick hasste diesen leicht spöttischen Unterton.
    »Carla ist verschwunden, und die Polizei glaubt, dass ich daran schuld bin.«
    »Willst du das etwa abstreiten?«
    »Ich … ich weiß nicht. Darum brauche ich ja deine Hilfe.«
    »Verkauf mich nicht für dumm!«
    Sein Vater griff nach einem Umschlag auf dem Schreibtisch. Nick verstand nicht, was das sollte. Wollte er ihm Geld geben?
    Im Umschlag steckte kein Geld. Sein Vater zog Fotos hervor. Eins nach dem anderen:
    Nick, wie er seinen Arm hob, um einen Typen aus Thomas’ Motorradgang vor dem Manhattan zu schlagen.
    Nick, wie er durchnässt und mit blutender Nase neben dem Brunnen auf dem Kreisel stand.
    Nick, wie er mit Mike, dem Drogendealer, auf der Churer Bahnhofstraße verhandelte.
    Nick, wie er vor die Tür von Susannas Laden trat und sich suchend umsah, als wolle er sicher sein, dass ihn niemand sah.
    Nick schluckte. Bevor er etwas sagen konnte, legte sein Vater die letzten zwei Fotos auf den Tisch.
    Nick mit Carla, eng umschlungen auf einer Wolldecke in einem Park.
    Nick, wie er Carla zwischen die Beine griff, eine Hand auf ihrer Brust.
    Fassungslos starrte Nick auf die Fotos. Das konnte nicht sein! Er wich zurück, bis er mit dem Rücken gegen die Wand stieß.
    »Nein«, flüsterte er.
    Sein Vater kam auf ihn zu, packte ihn an den Schultern und hielt ihn fest.
    »Doch«, sagte er. »Und jetzt sag mir, was hier los ist.«
    »Ich weiß nicht!«
    »Du bist ein elender Lügner!« Sein Vater ließ ihn los. »Du gehst jetzt zur Polizei und sagst ihnen, wo Carla steckt. Sonst gehe ich. Und dann, dann wirst du einmal in deinem Leben die Konsequenzen für dein Handeln tragen.«
    Bloß raus hier! Nick stieß seinen Vater heftig zurück und stolperte zur Tür. Er riss sie auf, stürmte den Gang entlang, die Treppe hinunter, durch die Halle. Blindlings rannte er aus dem Gebäude. Zwischen den Autos auf dem Parkplatz hindurch, durch Seitenstraßen, an Häusern und Bäumen vorbei. Erst beim See im Park blieb er keuchend stehen. Sein Herz raste. In seinem Kopf lief ein Endlosclip der Bilder, die sein Vater ihm gezeigt hatte. Bei jedem Herzschlag ein neues. Sein Vater hatte recht, er war ein absolut elender Scheißkerl.
    Nick ließ sich rücklings ins Gras fallen, breitete die Arme aus und schloss die Augen. All my lies are only wishes. Ken Healy, sein letzter Englischlehrer, hatte diesen Satz an die Wandtafel geschrieben und Nick dann lange angesehen. Der Typ hatte ihn durchschaut. Ganz deutlich sah Nick den Satz mit weißer Kreide auf der schwarzen Tafel. Alle meine Lügen sind nichts als Wünsche. Healy hatte recht gehabt. Nicks Leben war eine endlose Reihe von Lügen. Und die größte Lüge war die, nichts mit Carlas Verschwinden zu tun zu haben. Wunschdenken. Er, er ganz allein war an Carlas Verschwinden schuld. Aber warum? Was hatte er ihr beweisen wollen? Dass er eben doch nichts taugte? Der Regen prasselte auf ihn herab, während er Carla vor sich sah, wie sie ohne anzuklopfen in sein Zimmer gestürmt kam.
    Sie ließ sich auf sein Bett plumpsen, hielt ihr Mathebuch in die Höhe und wedelte damit durch die Luft.
    »Hör mal, du hast all diese teuren Internate besucht. In irgendeinem haben sie dir doch sicher die Wahrscheinlichkeitsrechung erklärt. Kannst du mir helfen?«
    Sie schlug ihr Buch auf, klappte es wieder zu und verdrehte dabei die Augen. »Ich kapier das nicht.«
    »Was denkst du, weshalb ich von all diesen Internaten geflogen bin?«, fragte Nick.
    »Nun ja, einmal wegen der Drogen, die sie bei dir gefunden haben. Dann wegen dem Mädchen auf deinem Zimmer, dem du wohl definitiv keine Wahrscheinlichkeitsrechnungen erklärt hast.« Sie grinste.

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