Blackout (German Edition)
öffnete das kleine Fenster im Flur, drückte die Zigarette auf dem Fenstersims aus und wischte seine Hände an den Jeans ab.
»Vor Ihrer Tür steht so ein Flegel«, hörte er die Kuh sagen.
»Nick?« Seine Mutter schaute ihn erstaunt an.
Er hätte sie beinahe nicht erkannt. Es war ihr Gesichtsausdruck. Die Bitterkeit war weg. Und sie trug die Haare kürzer.
»Hallo, Mam.« Wie fremd seine Stimme klang.
»Komm rein«, sagte sie.
Nicht Du kannst gleich wieder gehen, wenn du Geld willst. Einfach nur Komm rein.
Nick folgte ihr in die Wohnung und sah ihr zu, wie sie die Einkaufstasche auf den Küchentisch stellte. Sein Blick fiel auf eine Kinderzeichnung an der Wand. Er konnte sich erinnern, wie er sie für einen Geburtstag seiner Mutter gemalt hatte.
Sie hatte sie aufgehoben!
»Warum bist du hier?«, fragte sie.
Er starrte an ihr vorbei. »Ich bin in Schwierigkeiten.«
»Ach, Nick!«
»Carla ist verschwunden.«
»Ich weiß, Susanna hat mich angerufen. Sie sagt, du hast Carla nach Berlin mitgenommen und bist ohne sie zurückgekommen.«
Nick verstand nicht, warum sie so ruhig blieb. Früher hätte sie ihn angeschrien oder ihm eine gescheuert.
»So war es nicht!«
»Wie dann?«
Er suchte nach Worten. Sie hatte sich verändert. Keine Vorwürfe. Kein nervöses Zurückstreichen ihrer Haare. Kein Aufblitzen in ihren Augen, das einen ihrer Wutanfälle ankündigte.
»Komm, wir gehen ins Wohnzimmer«, sagte sie. Sie setzte sich auf einen der bequemen Korbsessel beim Fenster. Er ließ sich auf den Sessel neben ihr fallen.
»Ich habe keine Ahnung, was am Wochenende passiert ist.«
Sie unterbrach ihn nicht.
»Aber ich glaube einfach nicht, dass ich Carla in eine Drogensache hineingezogen habe.«
Wieder wartete er auf einen Einwand. Es kam keiner.
»Vielleicht ist alles ganz anders«, sagte er.
»Wie meinst du das?«
Sonnenlicht flutete in den Raum. Durch das große Wohnzimmerfenster konnte Nick schneebedeckte Berge sehen. Ein klarer Herbsttag in einer heilen Welt. Trotzdem. Er musste sie fragen.
»Carla hat an einem Wirtschaftsprojekt gearbeitet. Sie hat angedeutet, dass Paps in etwas verwickelt ist. Traust du ihm illegale Geschäftspraktiken zu?«
Wenn seine Mutter überrascht war, so zeigte sie es nicht. Sie blieb ruhig sitzen und nahm sich Zeit mit der Antwort.
»Nein«, sagte sie. »Man kann vieles über deinen Vater sagen, aber dass er verbotene Dinge tut, nein, das glaube ich nicht. Warum fragst du?«
»Ach, nicht wichtig.« Er senkte den Kopf, damit sie seine Verzweiflung nicht sehen konnte.
»Ich denke schon, dass es wichtig ist. Sonst wärst du nicht hier.«
Das gab ihm den Mut, weiterzusprechen.
»Ich … ich habe mir überlegt, dass Carla Paps vielleicht bei irgendwas in die Quere gekommen ist. Etwas, das ihm geschäftlich schaden könnte.«
Er schaute sie an, um zu sehen, wie sie darauf reagierte. Sie setzte sich kerzengerade hin.
»Du meinst, er steckt hinter ihrem Verschwinden?« Sie schüttelte den Kopf. »Nein, das kann nicht sein. Unmöglich. Nein.«
Sie bestätigte nur, was er die ganze Zeit gewusst hatte. Sein Vater würde sich nie auf illegale Machenschaften einlassen. Damit reduzierte sich der Kreis der Verdächtigen wieder auf einen – auf ihn. Er war sich nicht sicher, ob er das durchstehen konnte.
Sie stand auf, trat hinter ihn und legte ihm eine Hand auf die Schulter. Er zuckte zusammen.
»Ist es so unerträglich?«, fragte sie.
»Ich versteh’s nicht«, sagte er leise. »Seit Jahren schreist du mich entweder an oder ignorierst mich. Und jetzt … jetzt bist du plötzlich so … so anders.«
Seine Mutter trat einen Schritt zurück.
»Du hast mich angerufen. Erinnerst du dich? Du hast nach deinem achten Geburtstag gefragt. Du hast keine Ahnung, was du damit ausgelöst hast.«
Sie hatte Tränen in den Augen. Nick schaute weg.
»Da ist vielleicht doch was …«
»Ja?«
»Ich bin mir nicht sicher, aber es kann sein, dass Albert an einem großen Projekt arbeitet. Er war in den letzten Wochen ungewöhnlich angespannt. Es scheint sehr wichtig zu sein für ihn.«
Nick sprang auf. »Weißt du etwas Genaueres?«
»Ich glaube, er will die Firma verkaufen.«
»Was?«Nick sah sie ungläubig an. »Das kann nicht sein!«
»Das habe ich zuerst auch gedacht. Aber die Dinge sind nicht mehr so, wie sie einmal waren. Nick, du hast deinen Vater nicht gekannt, als er jung war.«
Doch. Er erinnerte sich an ausgelassene Balgereien auf sonnenwarmen Wiesen, an aufgeschürfte
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