Blackout (German Edition)
Schultern. Nick konnte fühlen, wie er sich zu ihm hinunterbeugte, spürte den Atem in seinem Nacken. Dann hörte er die raue Stimme Caduffs direkt an seinem Ohr. »Hat es Spaß gemacht, alle an der Nase rumzuführen?«
Caduffs Griff lockerte sich, aber seine Hände lagen immer noch wie Blei auf Nicks Schultern.
»Ich wusste doch gar nicht, dass Vater seine Firma verkaufen will. Und selbst wenn ich es gewusst hätte, es wäre mir so was von egal gewesen.«
Unsanft stieß ihn Caduff gegen die Tischkante, ging zurück zu seinem Stuhl und setzte sich hin.
»Ich glaube dir kein Wort! Was wäre als Nächstes gekommen? Hast du die Fotos schon an die Presse verkauft? Damit es auch so richtig schön kracht? Dir tut das ja nicht weh. Wie hast du so treffend gesagt? Du stehst sowieso schon schlecht da.«
Caduff war zunehmend lauter geworden.
»Das ist doch alles Müll, was du da erzählst!« Wütend stieß Nick einen Papierstapel auf den Boden.
»Oh nein. Du weißt nur zu gut, wovon ich spreche. Ich spreche von dem Skandal, der deinem Vater den Verkauf der Firma unmöglich macht. Die Frage ist nur, wie du Carla dazu gebracht hast, dieses schäbige Spiel mitzuspielen.«
Caduff gelang es nicht, die Enttäuschung hinter seinem Zorn zu verbergen.
»Oder hat sie gar nicht mitgespielt? Hast du sie gezwungen? Unter Drogen gesetzt? Hält sie dein Komplize irgendwo fest?«
»Ich habe diese Fotos heute zum ersten Mal gesehen. Ich weiß nicht, wer sie gemacht hat. Ich weiß nicht, was mit Carla geschehen ist und wo sie jetzt ist!«, brüllte Nick. Dann lehnte er sich schwer atmend zurück, so weit wie möglich weg von Caduff, verschränkte die Arme vor seinem Körper und sagte kein Wort mehr. Caduffs Blick wurde für einen Moment weich; er sah Nick an, wie man jemanden ansieht, den man mag, aber dem man nicht mehr vertraut. Dann schüttelte er unmerklich den Kopf und verließ das Büro.
Nick blieb mit Bucher zurück. Caduffs Vorgesetzter nahm ihn in die Mangel, stellte die gleichen Fragen immer und immer wieder, doch Nick schwieg beharrlich. Caduff kam nicht mehr zurück.
»Ich muss pissen«, sagte Nick.
»Später.«
»Nein, ich muss jetzt.«
»Später«, wiederholte Bucher.
»Ich kann auch gleich hier, in eine Ecke.«
Nick stand auf und öffnete den Reißverschluss derJeans. Bucher packte ihn unsanft und stieß ihn vor sich her in den Korridor hinaus. Kaum standen sie vor der Tür, rammte ihm Nick mit aller Kraft den Ellbogen in den Magen. Bucher war auf diesen Angriff nicht vorbereitet und klappte zusammen wie ein Taschenmesser. Nick rannte los, ohne nach links und rechts zu schauen. Er hörte jemanden fluchen, stieß an Wände und Gegenstände, krachte mit voller Wucht und wild um sich schlagend in einen Polizisten, der sich ihm in den Weg stellte. Er rappelte sich auf, rannte in großen Sätzen eine Treppe hinunter, übersprang die untersten Stufen, strauchelte und fing sich im letzten Moment wieder. Die Tür ins Freie war nur noch wenige Schritte entfernt, doch jemand bekam seinen Pullover zu fassen und hielt ihn zurück. Nick streckte seine Arme aus und griff nach einem Stuhl. Er bekam ihn zu fassen, schwang ihn herum und traf den Polizisten, der ihn festhielt, mitten ins Gesicht. Gebrüll und Blut. Viel Lärm. Eine Treppe noch! Die rettende Tür zum Greifen nah. Eine Frau, die aus dem Nichts zu kommen schien. Nick raste an ihr vorbei, stürmte aus dem Gebäude, lief ohne anzuhalten weiter, immer weiter, bis er nicht mehr konnte.
18
K euchend lehnte sich Nick gegen einen Gartenzaun, irgendwo in einer Seitenstraße eines ruhigen Wohnviertels. Sein Puls raste, seine Lungen schmerzten. Er presste die Hände gegen seine hämmernden Schläfen und wartete darauf, dass sich sein Atem beruhigte. Beim Verhör war ihm plötzlich ein Gedanke gekommen. Wie ein fehlendes Teil eines Puzzles. Darum war er abgehauen. Er musste wissen, ob er mit seiner Vermutung recht hatte.
Im Haus gegenüber bewegte sich ein Vorhang. Dahinter erkannte Nick deutlich den Umriss einer Person, die ihn beobachtete. Eine Frau mit einem hüpfenden Kind an der Hand bog in die Straße ein. Als sie ihn sah, wechselte sie schnell die Straßenseite. Das Mädchen zeigte mit dem Finger auf ihn. »Mami, was ist mit dem Mann?« Wortlos zog die Frau die Kleine weiter. Nick fragte sich, warum er so viel Aufmerksamkeit auf sich zog. Er blickte an sich hinunter. Auf dem hellen Pullover glänzten rotbraune Flecken und Spritzer. Blut. Er musste hier weg.
Caduffs
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