Blackout - Kein Entrinnen
fragte ich:
»Wenn ihr bereit seid, mich, euren Sohn, gegen Marktanteile einzutauschen … was ist dann in Wahrheit mit Phillip passiert, Mom? Ist er dem Hund wirklich nur zufällig über den Weg gelaufen, wie die offizielle Geschichte lautet? Oder hattet ihr Angst, eure Viertelstunde im Rampenlicht sei schon wieder vorbei, und habt deshalb nach etwas gesucht, um euch länger darin zu sonnen?«
Ihre Augen wurden groß. Für einen Moment war ich mir nicht sicher, ob sie abdrücken würde. Dann ließ sie die Waffe sinken und kam auf mich zu, ohne auf Becks zu achten. Ich hätte ihrer Hand ausweichen können. Doch ich tat es nicht, und das Klatschen auf meiner Wange hallte durchs Zimmer, als gäbe es kein lauteres Geräusch auf der Welt. Becks erstarrte und sah fassungslos zu. Dem Schweigen hinter mir nach zu urteilen, tat Dad dasselbe.
Moms Augen füllten sich mit zornigen Tränen. »Sag so etwas nie wieder zu mir«, fauchte sie. Die Wut in ihrem Tonfall war wahrscheinlich das Ehrlichste, was ich je bei ihr erlebt hatte. »Du sagst nie wieder ein Wort über ihn.«
»Nun, dann sagst du nie wieder ein Wort über Georgia«, konterte ich. »Wo ist da der Unterschied, Mom? Ich bin dein Sohn. Du hast mich zwar nicht auf die Welt gebracht, aber du hast mich aufgezogen. Ich hatte nie eine andere Mutter. Und nun verkaufst du mich, mein Leben , weil du bessere Quoten erreichen willst. Inwiefern unterscheidet sich das von dem, was mit Phillip passiert ist? Gib mir nur eine gute Antwort. Bitte. Eine nur.«
Sie starrte mich an und konnte sich offenbar nicht entscheiden, ob sie einen Tobsuchtsanfall bekommen oder heulend zusammenbrechen sollte. Becks zielte noch immer auf Moms Kopf. Sie hatte eine lässige Hip-Hop-Haltung eingenommen, in der sie stundenlang bleiben konnte, falls es nötig war. Ich wusste jedoch, dass es nicht nötig sein würde. Bald würde jemand dieses Patt auflösen. Ich hoffte nur, dass es jemand aus diesem Zimmer sein würde und nicht jemand, der den Wagen einer Behörde fuhr und eine städtische Säuberungstruppe befehligte.
»Es war ein Unfall«, sagte Dad. Ich drehte mich nicht zu ihm um, denn ich wollte Mom nicht aus den Augen lassen. »Marigold hätte eigentlich nicht im Garten sein sollen. Phillip hatte Pech. Das ist der Unterschied.«
»Warum? Weil es geplant war? Weil ihr George und mich aus irgendeinem Waisenhaus geholt habt, habt ihr auch das Recht zu entscheiden, wie ich sterben soll? Macht euch doch nichts vor. Wenn ihr uns hierbehaltet, werden wir sterben. Irgendjemand wird unachtsam sein, und ein anderer wird behaupten, wir hätten zu unseren Waffen gegriffen, und noch vor dem Mittagessen werden wir ein Haufen sterilisierter Asche sein.«
»Das muss nicht sein«, meinte Mom, die allmählich wieder die Beherrschung gewann, was wahrscheinlich kein gutes Zeichen war. »Vielleicht laden sie euch nur vor, um euch zu verhören.«
»Das mit den Moskitos ging los, als wir in der Seuchenschutzbehörde von Memphis waren, Mrs. Mason.« Ich war nicht nur überrascht, Becks Stimme zu hören, sondern auch darüber, wie ruhig sie klang. Moms Kopf zuckte herum, und sie starrte uns an. »Wäre der Sturm nicht gewesen – wäre der Zeitpunkt nicht so ungünstig gewesen, dann wären sie in Kuba geblieben. Ohne den Wind wären sie nie an unsere Küste geblasen worden.«
»Und?«, wollte Mom wissen.
»Stacy.« Dads Stimme klang sanft und nachdenklich. Es war derselbe Tonfall wie bei George, wenn ihr mitten in der Nacht etwas eingefallen war. Dann hatte sie mich jedes Mal aufgeweckt und mir mit dieser leisen, eindringlichen Stimme ins Ohr geflüstert, mir Geschichten erzählt, die ich nur halb verstand und die dann innerhalb einer Woche auf unserem Blog auftauchten.
»Was?« Mom drehte sich zu ihm um. Und damit auch zu mir.
»Die Wetterkarten zeigen, dass die Moskitos tatsächlich aus Kuba stammen. Sie gelten als Mutation. Die natürliche Selektion hat uns wohl einen schrecklichen Streich gespielt.«
»Das glauben Sie doch wohl selber nicht, oder, Mr. Mason?«, fragte Becks. »Kommt Ihnen das nicht ein wenig zu platt vor? Zwanzig Jahre lang gibt es keine Insekten als Überträger, und dann taucht plötzlich einer auf, genau in dem Moment, als man einen Nachrichtenzirkel zum Schweigen bringen will, der allen unbequem geworden ist? Wäre der Sturm nicht gewesen, würden wir jetzt ganz andere Geschichten hören. Die kubanische Tragödie würde die Nachrichten des nächsten Jahres beherrschen, und niemand
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