BLACKOUT - Morgen ist es zu spät - Elsberg, M: BLACKOUT - Morgen ist es zu spät
vorgestern.«
Er stand auf, kam um den Tisch herum, stützte sich so knapp neben Manzano auf, dass er ihn fast berührte, und las vor:
» Guten Kontakt zu Einsatzleiter F. Bollard. Glaube, dass er mir vertraut. Habe Daten über SCADA-Produzenten angefordert .«
Er klickte das Fenster weg, ein anderes erschien.
»Oder hier, von gestern: Habe Talaefer-Theorie ventiliert. Mal sehen, ob sie darauf anspringen. «
Manzano starrte fassungslos auf den Bildschirm.
»Ich habe die nicht geschrieben«, erklärte er leise. »Keine Ahnung, woher die kommen.«
Diese E-Mails waren während seines Aufenthalts in Den Haag versendet worden. Wollte Europol ihm aus irgendwelchen Gründen etwas anhängen? Brauchten sie einen Sündenbock? Suchte jemand Revanche für Manzanos frühere Aktionen?
»Sie sind mir ein schöner Computercrack«, meinte Hartlandt und richtete sich wieder auf. »Herr Manzano, wir nehmen Sie fest. Sie haben das Recht auf einen Anwalt …«
Manzano hörte nicht mehr zu. In seinem Kopf überschlugen sich die Gedanken. Jemand verfolgte seit Tagen seine Schritte, wusste, worüber er mit Bollard und anderen gesprochen hatte, dass Europol ihn nach Deutschland schickte. Nichts davon hatte er in seinem Computer notiert, festgehalten, beschrieben. Wer immer davon wusste, musste dabei gewesen sein. Manzano fielen nur zwei Möglichkeiten ein. Entweder jemand bei Europol hatte sich gegen ihn verschworen. Oder jemand außerhalb von Europol hörte – und sah? – ihnen die ganze Zeit zu. Ein ungeheurer Verdacht keimte in ihm auf. Den er Hartlandt gegenüber gar nicht zu äußern brauchte, so verrückt klang er. Manzano fand ihn letzten Endes jedoch nicht so abwegig. Wer in der Lage war, die europäischen Stromnetze lahmzulegen, für den stellten wahrscheinlich auch die Sicherheitsvorkehrungen der Europol- IT kein großes Hindernis dar. Wie ein Roboter folgte Manzano der Aufforderung, sich zu erheben, fühlte den Griff an seinem Oberarm, als gehörte dieser nicht zu ihm, während sein Gehirn das Szenario weiterspann. Auch er hatte sich spaßeshalber schon in Firmennetzwerke gehackt und dort die internen Mikrofone und Kameras der Computer aktiviert, ohne dass die Nutzer etwas davon gemerkt hatten. So konnte er problemlos deren Gespräche verfolgen. Manzano Vorstellungskraft schlug immer neue Volten. Wenn die Angreifer tatsächlich Verteidigungsstrukturen ihrer Opfer angezapft hatten, warum sollten sie es bei Europol belassen? Wer wusste, wo sie noch überall mitsahen und -hörten? Regierungen? Die EU , die Nato? Manzano bemerkte kaum, dass er unter Hartlandts Griff zum Parkplatz ging und in ein Auto gesetzt wurde.
Warum aber hackten sie dann auf ihm herum, wenn sie ganz andere Mittel hatten? War er mit Talaefer auf eine heiße Spur gestoßen und sie wollten ihn aus dem Weg räumen? Nein, jetzt wurde er größenwahnsinnig. Er schüttelte heftig den Kopf, um wieder zu Sinnen zu kommen. Es musste eine einfachere Erklärung geben. Erst jetzt nahm er wahr, dass er auf der Rückbank einer Limousine saß, neben sich Hartlandt, am Steuer einen seiner Mitarbeiter.
»Wo fahren wir hin?«
»Sie kommen in Untersuchungshaft. Dort werden wir Sie weiter befragen. Der Bundesnachrichtendienst hat auch schon Interesse an Ihnen bekundet.«
»Das können Sie nicht machen! Ich habe nichts mit der Sache zu tun!«
Wo der BND war, war die CIA sicher nicht mehr weit, nachdem die USA ebenfalls angegriffen worden waren. Bei dem Gedanken an die Methoden des amerikanischen Geheimdienstes, die sogar die US -Präsidenten billigten, wurde Manzano schlecht vor Angst.
Nanteuil
Als Annette Doreuil den Wagen vor dem Haus hörte, eilte sie in den Flur. Mit dampfendem Atem kamen die beiden Männer durch die Tür und schlossen sie schnell.
Ihr Mann hielt eine Medikamentenpackung hoch, und sie spürte die Erleichterung.
Ihr Mann zerknüllte sie in seiner großen Faust. Es war die alte, leere gewesen.
»Nichts«, sagte er. »Zurzeit nirgends mehr auf Lager.«
Düsseldorf
Hartlandts Fahrer steuerte den Wagen auf einen Parkplatz neben einem großen Gebäudekomplex. Ein paar Plätze waren von dröhnenden Generatoren besetzt, deren Abgase die Luft verpesteten. Dicke Kabelstränge wanden sich durch ein schmales Beet in Richtung des Bauwerks.
Sie waren eine halbe Stunde lang gefahren, hatten ein Ortsschild passiert, das Manzano mitteilte, dass sie jetzt in Düsseldorf waren. Wahrscheinlich brachten sie ihn in die örtliche Polizeizentrale oder gleich ins
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