BLACKOUT - Morgen ist es zu spät - Elsberg, M: BLACKOUT - Morgen ist es zu spät
auf dem Hof gelebt, die Stürme der Französischen Revolution ebenso überstanden wie zwei Weltkriege.
Vor sich sah Annette Doreuil die Bilder anderer Flüchtlingsströme, wie man sie aus dem Fernsehen kannte. Nie hatte sie gedacht, einmal selbst in so einem Konvoi mitziehen zu müssen.
Annette Doreuil wusste nicht, was sie fühlte. Als sie mit Bertrand Paris verlassen hatte, konnte sie sich noch einreden, dass sie auf einen Kurzurlaub fuhren. Spätestens, seit sie die Hühner und Konserven der Bollards aufbrauchten und das Haus nicht mehr verlassen durften, gestand sie sich ein, dass sie ein Flüchtling war.
Nur ein Stück pro Person. Sie nahm einen Haltegriff der großen Tasche, Bertrand den anderen. In der anderen trug er einen schweren Koffer.
Sie hatten nicht so genau überlegen müssen, was sie einpackten. Im Gegensatz zu den Bollards. Annette Doreuil wusste nicht, was ihre Gastgeber in die Koffer gestopft hatten. Hatten sie jetzt schon entscheiden müssen, was sie retten wollten?
Sie horchte in ihren Körper. Fühlte sich etwas seltsam an? Ungewöhnlich? Irgendeine Empfindung, die darauf hinwies, dass die Radioaktivität bereits an ihren Zellen nagte?
Während die zwei Schutzanzugträger ihre Gepäckstücke in einen dafür vorgesehenen Lagerraum unterhalb des Laderaums packten, half ihr Bertrand hinauf. Die Menschen rückten auf den Holzbänken zusammen, um ihnen Platz zu machen. Neben sie setzte sich Celeste Bollard, vorsichtig, als wäre die Bank nass, ohne den Blick von ihrem Gutshof zu wenden.
Mit einem Ruck nahm der Wagen Fahrt auf. Von Celeste und Vincent Bollard sah Annette Doreuil nur die Hinterköpfe, während die beiden das kleiner werdende Haus nicht aus den Augen ließen, bis es verschwunden war und sie es in der Ungewissheit zurücklassen mussten, ob sie es jemals wiedersehen würden.
Düsseldorf
Shannon stellte den Porsche in der Garage direkt vor der Tür zum Treppenhaus ab. Ein paar Sekunden lang musste sie sich gegen das Lenkrad stemmen und durchatmen. In ihrem Kopf fuhren die Gedanken Achterbahn. Hartlandt hatte Verdacht geschöpft. Vielleicht hatte er sie sogar erkannt. Womöglich hatte er sie mit Absicht an Manzanos Computer herangelassen, damit sie ihn zu dem Italiener führte. Und sie war in die Falle getappt wie ein kleines Kind.
Oder sie bildete sich das alles nur ein?
Wenn Hartlandt sie erkannt hatte, hatte er das auch vergangene Nacht getan? Oder später begriffen, wen er da vor sich gehabt hatte? Wusste er vielleicht von Bollard, dass sie in Den Haag in Kontakt zu Manzano getreten war? Musste sie befürchten, dass er seine Leute noch einmal hierherschickte?
Sie schnappte den Laptop, die Taschenlampe, sprang aus dem Wagen und lief zu Manzano in den zweiten Stock. Atemlos stolperte sie in das Zimmer, in dem sie ihn zurückgelassen hatte. Er lehnte in einem Bett, dick zugedeckt, der Kopf zur Seite gekippt.
»Piero?«, japste sie.
Als er sich nicht bewegte, rief sie lauter, stürzte auf das Bett zu.
»Piero!«
Seine Lider flatterten, schwerfällig hob er den Kopf.
»Wir müssen von hier weg!«, erklärte sie.
Sie schwenkte den Computer.
»Komm schon!«
»Wo … wo hast du den her?«
»Später!«
Sie zerrte die Decken von seinen Beinen. Auf dem rechten Schenkel prangte ein handtellergroßer dunkler, glänzender Fleck. Als sie erstarrte, meinte er nur: »Geht schon. Gib mir die Krücken.«
So schnell es Manzanos Verletzung zuließ, hinkte er hinter ihr her. Im Treppenhaus leuchtete Shannon den Weg aus. Vor der Tür zur Garage legte sie den Zeigefinger auf die Lippen und bedeutete ihm zu warten. Sie schaltete die Taschenlampe ab, öffnete die Tür einen Spalt und lugte hindurch. In der Düsternis erkannte sie kaum etwas, auch keinen Audi.
»Der Porsche steht vor dieser Tür«, flüsterte sie. »Ich werde ihn jetzt mit der Fernbedienung öffnen, du kommst heraus und steigst ein.«
Shannon stieß die Tür auf, gleichzeitig blinkten die Lichter des Porsche, als sie die Schlösser entriegelte.
Manzano humpelte los, da sah er den Schatten, der über Shannon herfiel. Ein anderer stand im Türrahmen und blockierte seinen Weg. Manzano erkannte Pohlens mächtige Statur. Mit aller Kraft rammte ihm Manzano seine Krücke in den Bauch. Pohlen knickte ein, Manzano hieb die Krücke so fest wie möglich auf seinen Kopf, einmal, zweimal, dreimal. Pohlen fiel, hob abwehrend den Arm. Manzano trat ihm mit seinem gesunden Fuß gegen den Rumpf, knickte auf dem verletzten fast ein,
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