BLACKOUT - Morgen ist es zu spät - Elsberg, M: BLACKOUT - Morgen ist es zu spät
hörte ein pfeifendes Geräusch, trat noch einmal zu. Pohlen wand sich, wehrte sich aber nicht mehr. Hinter dem Porsche kniete der zweite Mann über Shannon, von der Manzano nur den Hinterkopf ahnte. Bevor er sich wehren konnte, hatte ihm Manzano bereits zweimal mit voller Wucht die Krücken über den Schädel gezogen. Ohne weitere Gegenwehr kippte er zur Seite.
Shannon rappelte sich hoch, sah sich panisch um, schrie: »Der Schlüssel! Der Laptop!«
Auf allen vieren tappte sie durch die Finsternis, zur Taschenlampe, deren einsamer Strahl unter dem Wagenboden hindurchleuchtete.
Manzano bemerkte, dass Pohlen auf die Beine kam. Er hinkte zu ihm und schlug abermals mit der Krücke auf ihn ein.
»Hab ihn!«, rief Shannon.
Manzano wandte sich zum Wagen, während Pohlen nach ihm griff. Die Beifahrertür stand schon offen, Shannon startete den Motor. Manzano warf sich in den Sitz. Shannon schoss mit aufheulendem Motor und quietschenden Reifen davon, neben Manzano fiel die Tür von allein ins Schloss.
»Alles in Ordnung mit dir?«, fragte sie hastig.
»Keine Ahnung. Und mit dir?«
»Geht schon.«
Sie schleuderte um eine Kurve, bremste so heftig, dass Manzano fast auf dem Armaturenbrett aufschlug, hielt neben einem grauen Auto an. Riss die Tür auf, eine Hand in deren Seitentasche.
»Autsch! Verdammt!« Kniete neben dem Wagen nieder, hieb mit etwas auf den Vorderreifen ein. Als sie zum Hinterreifen lief, erkannte er in ihrer Hand eine kleine Klinge. Sie durchlöcherte auch den hinteren Reifen, ließ das Skalpell fallen und saß schon wieder im Wagen, bevor das Klirren der Klinge auf dem Asphalt verklungen war.
Manzano wurde in seinen Sitz gedrückt, als sie auf das helle Loch der Ausfahrt zuflitzten. Vorsichtig lenkte sie auf die Straße. Manzano bemerkte, dass ihre rechte Hand blutete.
»Wohin fahren wir?«, fragte er.
»Weg«, antwortete Shannon.
Berlin
»Rüber in den Besprechungsraum«, flüsterte der Sekretär des Bundeskanzlers Michelsen zu. Er eilte weiter, gefolgt von Michelsen. Vor den Bildschirmen, über die sie die Konferenzschaltungen mit den anderen Krisenzentren hielten, warteten bereits die Kabinettsmitglieder und andere Teilnehmer des Krisenstabs. Nur der Bundeskanzler fehlte. Von den Monitoren blickten einige europäische Regierungschefs, Minister oder Spitzenbeamte.
»Dringend einberufene Krisensitzung«, erklärte der Verteidigungsminister.
Raunen, Getuschel.
»Worum geht es?«, rief der Bundeskanzler, als er in den Raum stürmte.
Der Verteidigungsminister zuckte mit den Achseln.
Der Bundeskanzler ließ sich auf dem Platz nieder, wo ihn die Kamera erfassen würde, drückte den Knopf, mit dem er das Mikro öffnete, und bellte seine Frage in die virtuelle Runde, die sich auf den Bildschirmen mittlerweile komplettiert hatte. Nicht jeder Staat schickte zu jedem Meeting dieselbe Person, aber alle beschränkten sich auf maximal drei verschiedene Vertreter.
Die Gesichter hatte Michelsen während der vergangenen Tage alle kennengelernt. Nur auf dem spanischen Fenster entdeckte sie ein neues. Auf den zweiten Blick erkannte sie, dass der Mann Uniform trug. Ein unangenehmes Gefühl beschlich sie.
Der Spanier, ein bulliger Mann mit Schnurrbart und dicken Tränensäcken unter den Augen, antwortete: »Wir wollten unsere Bündnispartner in dieser Situation so schnell wie möglich darüber informieren, dass sich der Ministerpräsident unseres Landes außerstande sieht, weiterhin die Amtsgeschäfte zu führen. Dasselbe gilt für den Vizepräsidenten und die gesamte Regierung. Um die öffentliche Ordnung trotzdem weiterhin zu gewährleisten, die Sicherheit der Bevölkerung zu garantieren und alles in unserer Macht Stehende zu unternehmen, um die Lage wieder zu normalisieren, hat sich die Spitze der Armee unter meiner Führung dazu bereit erklärt, die Staatsgeschäfte bis auf Weiteres zu führen.«
Michelsen fühlte sich, als wäre die Stierherde der alljährlichen Fiesta in Pamplona über sie hinweggetrampelt. In Spanien hatte sich das Militär an die Macht geputscht, nichts anderes hatte ihnen der Mann auf dem Bildschirm eben verdeutlicht.
»Diese Entwicklung wird an der internationalen Zusammenarbeit Spaniens nichts ändern. Unsere Freunde in Europa und Amerika können hundertprozentig auf uns zählen.«
Michelsen bemerkte, dass sie zu zittern begonnen hatte. Unauffällig beobachtete sie, ob ihre Reaktion ihren Sitznachbarn aufgefallen war. Doch sie sah nur fassungslose und bleiche
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