BLACKOUT - Morgen ist es zu spät - Elsberg, M: BLACKOUT - Morgen ist es zu spät
Scheinwerfern des Tanklastwagens, der, wie üblich in Lkw-Konvois, knapp hinter ihm fuhr, um den Windschatten auszunutzen, auch wenn der Sicherheitsabstand dadurch viel zu gering war.
Als der Strom ausgefallen war, hatte Amirá tiefgefrorene Rinderhälften in Norwegen verladen, um sie nach Griechenland zu bringen. Wusste der Teufel, warum die Griechen norwegische Rinder essen mussten. Doch dann war ihm mitten in Deutschland der Sprit ausgegangen. Die Tankstellen pumpten nichts mehr. Binnen eines Tages waren seine Rinderhälften vergammelt. Und er saß fest. Auf einer Tankstelle irgendwo zwischen Hannover und Nürnberg. Drei Tage lang. Von seiner Familie hatte er seither nichts mehr gehört. Am dritten Tag war das Militär aufgetaucht, hatte ein paar Latrinen gegraben, Wasser und Lebensmittel verteilt und war wieder abgezogen. Zwei Tage später waren sie zurückgekommen. Sie hatten begonnen, die Lkw-Fahrer zu rekrutieren. Sie boten Unterkunft, Verpflegung und sogar Bezahlung, wenn auch erst zu einem späteren Zeitpunkt. Für die Versorgung der Bevölkerung mit Lebensmitteln und Wasser wurden dringend Fahrer und Wagen gesucht. Amirá hatte sich dazu bereit erklärt. Sie hatten seinen Tank mit etwas Diesel gefüllt und ihm den Weg zum nächsten Zentrallager gewiesen. Zwei Tage lang war er zwischen den Lagerhäusern und Verteilerstellen hin- und hergependelt. Am zweiten Tag war sein Lkw mit Motorschaden liegen geblieben. Während sich Militärmechaniker um eine Reparatur bemühten, was angesichts schwer lieferbarer Ersatzteile mühselig war, wurde Amirá auf den Sitz eines Tanklasters gesetzt. Mit diesem sollte er die Notstromsysteme von Hilfsorganisationen und Krankenhäusern, chemischen Anlagen, Behörden und Firmen versorgen. Sein aktueller Transport führte ihn in den Westen zu einem Atomkraftwerk irgendwo zwischen Karlsruhe und Mannheim. Er hatte keine Ahnung, wozu die Diesel benötigten, irgendjemand hatte behauptet, auch für Notstromsysteme. Amirá hatte sich nie damit beschäftigt, fragte sich aber, wozu ein Kraftwerk Notstromsysteme benötigte. Konnte es seinen Strom nicht selbst erzeugen? Der Transport musste wichtig sein, denn vor ihm und am Ende des Konvois aus drei Wagen, jeweils mit Anhänger, begleiteten sie Militärfahrzeuge mit bewaffneten Soldaten.
Amirá blinzelte abermals den Schlaf weg, als die roten Bremslichter des Autos vor ihm aufleuchteten. Er hieb seine Ferse in die Bremsen, doch er war zu nah dran. Er riss das Steuer herum, um die Soldaten mit der Wucht seines Wagens nicht zu zerschmettern, geriet auf die linke Spur, prallte gegen die Leitplanken, kurbelte das Lenkrad zurück und rammte den Militärlaster auf dessen linker Seite. Sein Laster schob ihn durch die rechte Leitplanke auf ein Feld, wo er samt Insassen zur Hälfte unter seiner Fahrerkabine verschwand, während Amirá spürte, wie hinter ihm die Tanks kippten. Er versuchte gegenzusteuern, ahnte mehr als er im Rückspiegel sah, dass der Wagen hinter ihm ungebremst in den quer stehenden Anhänger voller Treibstoff raste, der sich in eine große, gelbe Wolke verwandelte. Im Rhythmus der einschlagenden nachfolgenden Wagen wuchs eine zweite, dritte, vierte Wolke zu einem gigantischen Feuerball, um welchen die Zeit stillzustehen schien, bevor er Amirás Fahrerkabine umschloss, deren Scheiben zerbarsten, und binnen eines Atemzuges alles im Umkreis von zweihundert Metern zu Asche verglühte.
Aachen
Manzano wusste nicht, was ihn geweckt hatte. Irgendwann musste er trotz des Gestanks, des harten Bodens, der bedrohlichen Gesellschaft in dem Obdachlosenheim eingenickt sein. Hinter ihm lag Shannon, gegen die Wand gedrückt, ihr schwerer Atem deutete darauf hin, dass auch sie eingeschlafen war.
Manzano hörte ein Rascheln. Er öffnete die Augen einen Schlitz weit. Die Kerze war endgültig abgebrannt und verloschen. Trotzdem huschte ein schwacher Schein neben ihm über den Boden.
Da war noch ein Atemgeräusch, ganz in der Nähe. Manzano spürte die Anwesenheit eines anderen Menschen außer Shannon, direkt neben sich, über sich. Da war ein Schatten, Beine vor seinem Gesicht. Jemand beugte sich über ihn, versuchte, zu Shannon zu gelangen.
Manzano fuhr hoch, rammte der Person seinen Kopf und einen Ellenbogen in den Bauch. Der andere strauchelte, fiel zwischen den Betten auf den Boden. Eine kleine Stabtaschenlampe rollte davon.
Manzano spürte, dass der Mann noch immer etwas Schweres in der Hand hielt. Shannons Seesack! Der Asylwärter hatte
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