BLACKOUT - Morgen ist es zu spät - Elsberg, M: BLACKOUT - Morgen ist es zu spät
Schicht, Bildung, beiderlei Geschlechts, geeint durch die gleiche Vision, dasselbe Ziel. Jetzt hatten sie den ersten Schritt dorthin erreicht. Die Menschen in Europa und den USA begnügten sich nicht mehr mit Diskussionen, Petitionen und Demonstrationen. Nach ein paar Tagen Schockstarre und der Illusion, die alte Ordnung friedlich und gemeinsam aufrechterhalten zu wollen, gingen sie nun umso heftiger an die Substanz. Aus Rom, Sofia, London, Berlin und zahlreichen anderen europäischen Städten berichteten Korrespondenten von Angriffen gegen öffentliche Einrichtungen wie in Den Haag, sogar aus den USA kamen erste ähnliche Meldungen. Er nickte Birabi zu, der seine Genugtuung nicht verbarg. Was vor ein paar Jahren Gedankengebäude gewesen waren, wurde nun Wirklichkeit. Der Aufstand hatte begonnen.
Den Haag
»Die Zusammenarbeit mit den internationalen Behörden hat weitere Erkenntnisse über mögliche Komplizen Jorge Pucaos gebracht«, informierte Bollard das Gremium. »Mit sechs von ihnen stand er nachweislich in Kontakt. Außerdem ergab die Flugdatenauswertung gleichzeitige Aufenthalte an denselben Orten in den vergangenen Jahren.«
Er rief das Bild eines Schwarzafrikaners auf.
»Da wäre etwa Doktor Lekue Birabi aus Nigeria. Seine detaillierte Biografie finden Sie in der Datenbank. Es gibt viele Parallelen zu Jorge Pucao. Mitglied der Mittel- bis Oberschicht aus einem Schwellen- oder Entwicklungsland, politisch engagiert, vom herrschenden System bekämpft, familiäres Drama, hochintelligent, ausgebildet an einer der besten Hochschulen der Welt. Von ihm existieren zahlreiche Publikationen, er führte Blogs im Internet. Die kompletten Texte finden sich unter ›Birabi_lit‹ in der Datenbank. Diese sind zwar noch nicht zur Gänze durchgearbeitet, aber schon jetzt kann man sagen, dass er ziemlich radikal ist. Bereits 2005 schreibt er, dass ›das jetzige wirtschaftlich-politische System in der heutigen Form bestehende Machtverhältnisse zementiert. Da in den vergangenen Jahrzehnten sämtliche friedlichen Reformversuche von innen gescheitert sind, muss man auch die gewaltsame Zerstörung des Systems als Möglichkeit der Erneuerung in Betracht ziehen.‹ Auch in dieser Radikalisierung haben wir eine Parallele zu Pucao. Ebenso wie seine Teilnahme an verschiedenen Anti-G-8-Protesten, zum ersten Mal wie Pucao 2001 in Genua.«
Bollard zeigte eine Weltkarte, auf der zahlreiche Ort durch rote Linien verbunden waren. Bei jeder Linie, jedem Ort standen Zahlenkombinationen.
»Das sind die dokumentierten Reisen von Jorge Pucao ab 2007.«
Mit einem Klick der Fernsteuerung fügte er blaue Linien zu den roten. Einige der blauen Spitzen trafen sich mit den roten.
»Das sind Lekue Birabis Reisen in derselben Zeit. Wie wir sehen, hatten sie häufig gleichzeitig dasselbe Ziel. Zuletzt lebte Birabi in den Vereinigten Staaten. Im Herbst 2011 verschwindet er. Seither fehlt von ihm jede Spur. Die amerikanischen Behörden untersuchen zurzeit seinen Computer, den er zurückgelassen hat. Sein Vermieter hatte ihn in einem Abstellraum gelagert. Er wurde zwar sorgfältig gelöscht, doch ein paar Daten konnten rekonstruiert werden. Unter anderem Teile seines E-Mail-Verkehrs. Daraus geht hervor, dass er ab 2007 in regem Austausch mit einem gewissen ›Donkun‹ stand, der sich laut IP -Adressen meist dort befand, wo sich zur selben Zeit Pucao aufhielt. Außerdem fanden die Ermittler weltweit weitere Kontakte, die in diese Milieus passen und in Verbindung zu einem der beiden standen. Einige sind ebenfalls verschwunden. Diesen gilt natürlich besondere Aufmerksamkeit. Da wäre zum Beispiel Siti Jusuf aus Indonesien, ähnliches Alter und ähnlicher Lebenslauf wie die beiden anderen. In der Asienkrise der späten Neunziger verliert seine Familie ihr Vermögen, leidet unter den Unruhen in Folge der Währungs- und Wirtschaftskrise. Dann wären da noch zwei Landsleute Pucaos, Elvira Gomez und Pedro Munoz, ebenfalls politische Aktivisten, zwei Spanier, Hernandes Sidon und Maria de Carvalles-Tendido, zwei Italiener, zwei Russen, ein Mann aus Uruguay, ein Tscheche, eine Griechin, zwei Griechen, ein Franzose, ein Ire …«
»Ziemlich internationale Truppe«, bemerkte jemand.
»… zwei US -Amerikaner, ein Japaner, eine Finnin und zwei Deutsche. Einige davon sind ausgewiesene IT -Experten wie Pucao. Insgesamt existieren momentan rund fünfzig verdächtige Personen, die im Kontakt mit einer oder mehreren der anderen standen.«
»Und das alles auf
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