BLACKOUT - Morgen ist es zu spät - Elsberg, M: BLACKOUT - Morgen ist es zu spät
Haag.«
»Den Haag. Wie komme ich da hin?«
»Ich organisiere einen Flug.«
Ich kann nicht glauben, dass ich das tue, dachte Bollard. Das sind die Typen, gegen die ich eigentlich vorgehen muss. Und jetzt muss ich ihm ein Flugzeug schicken.
»Wie? Ich dachte, der Flugverkehr sei eingestellt.«
»Das lassen Sie meine Sorge sein.«
»Eine Mitarbeiterin des EUMIC möchte mitkommen«, erklärte Manzano. »Sie sagt, dass sie in Brüssel gebraucht wird.«
»Dann soll sie das. Im Flieger ist genug Platz.«
Saint-Laurent-Nouan
Marpeaux wusste nicht gleich, was ihn aufgeweckt hatte. Bis seine Frau fluchte. Er blieb liegen und versuchte weiterzuschlafen. Er drehte sich um, da hörte er seine Frau abermals schimpfen, dann trampelten ihre Schritte durch das Haus. Er rieb sich die Augen, stand auf, ging auf die Toilette und spülte – kein Wasser. Er versuchte es noch einmal, ohne Erfolg. Auch der Wasserhahn röchelte – und lieferte nichts. Marpeaux stöhnte auf, betätigte den Lichtschalter. Nicht schon wieder!
»Schon wieder kein Strom«, erklärte seine Frau von der Badezimmertür, die Arme in die Hüften gestemmt.
Marpeaux zuckte mit den Schultern. »Was soll ich machen?«
Sie schüttelte den Kopf. »Ich sag’s ja nur …«
Auf eine warme Dusche durfte er demnach nicht hoffen. Er zog sich an, dann wählte er die Nummer des Kraftwerks. Beim dritten Läuten hob jemand ab.
»Ich bin es, Yves«, erklärte er dem Schichtleiter. »Alles in Ordnung?« Im Hintergrund hörte er Warnsignale.
»Weiß ich noch nicht«, antwortete dieser hektisch. »Wir haben gerade erneut eine Schnellabschaltung hinter uns.«
Weshalb wusste er dann nicht, ob alles in Ordnung war?, fragte sich Marpeaux.
»Was sind das für Signale, die ich da höre.«
»Wieder etwas mit dem Notstrom. Ich kann gerade nicht reden. Bis später.«
Ein paar Sekunden lauschte Marpeaux dem Freizeichen, dann legte er auf. Sein Kollege war seit elf Jahren dabei, seit drei Jahren Schichtleiter. So gestresst hatte Marpeaux ihn noch nie erlebt.
Er eilte in den Flur, warf sich seine Jacke über und sagte zu seiner verwirrt dreinblickenden Frau: »Ich muss ins Kraftwerk.«
Ischgl
Nach dem Frühstück hatten sie sich auf die Bank vor der Hütte gesetzt. Wer keinen Platz fand, stellte sich einen Liegestuhl dazu. Angström empfand ihre Lage als surreal. Aber wie sollten sie anders mit der Situation umgehen? Heulen und Zähneklappern half niemandem. Die Stimmung war überdreht. Sie hatten ihre Schwüre vom Morgen schnell über Bord geworfen und eine Flasche Prosecco bestellt. Nur sie und Manzano tranken nichts. Für den Nachmittag planten van Kaalden und Terbanten eine Langlaufrunde. Angström bezweifelte, dass sie dazu kommen würden, nachdem sie die dritte Flasche öffneten.
Gegen zwölf kamen zwei Männer in Uniformen zwischen den Hütten auf sie zu: »Piero Manzano und Sonja Angström?«, fragte der kleinere der beiden.
Angström richtete sich auf. Manzano meldete sich.
»Wir sind von der Polizei. Wir kommen, um Sie abzuholen. Im Tal steht ein Hubschrauber bereit.«
Das Geplapper der anderen verstummte. Die beiden holten ihre gepackten Taschen aus der Hütte. Angström verabschiedete sich mit einer Umarmung von ihren Freundinnen.
»Eine schöne Woche noch«, wünschte sie ihnen.
»Komm gut nach Hause.«
In ihren Gesichtern las sie die Besorgnis und Angst, die sie bisher weggetrunken hatten. Der Abschied spülte alles wieder hoch. Sie beobachtete, wie Manzano den alten Bondoni umarmte. Die Geste hätte sie den beiden Männern nicht zugetraut. Aber vielleicht waren sie sich der Bedeutung des Moments bewusst.
»Und ich darf dich wirklich hier allein lassen?«, fragte Manzano Laras Vater.
»Ich bin ja nicht allein, sondern in charmanter Gesellschaft.«
Manzano wandte sich an Lara. »Ist es in Ordnung, dass er hierbleibt? Euren Urlaub habt ihr euch sicher anders vorgestellt.«
Lara Bondoni legte einen Arm um die Schultern ihres Vaters. »Ich sehe ihn ohnehin zu selten. Schade nur, dass ihr fortmüsst.«
Sie löste sich von ihrem Vater und umarmte Manzano.
»Viel Glück!«
Mit einem Geländewagen brachten die Polizisten sie ins Tal. Während der Fahrt sprachen sie nicht viel. Nach zwanzig Minuten hielten sie auf einem schneebedeckten Feld neben einem Hubschrauber. Als sie ausstiegen, begannen seine Rotorblätter sich behäbig zu drehen und immer mehr Tempo aufzunehmen.
»Ich bin noch nie in so einem Ding geflogen«, rief Angström Manzano über den
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