BLACKOUT - Morgen ist es zu spät - Elsberg, M: BLACKOUT - Morgen ist es zu spät
Herausforderungen. Nur ein Beispiel: Frankreich bezieht, wie Sie alle wissen, den Großteil seiner Energie aus Atomkraft. Die Meiler in so kurzer Zeit herunter- und dann wieder hochzufahren stellte keine einfache Aufgabe für die Verantwortlichen dar, wurde aber lehrbuchmäßig gelöst.«
Blanchard erlaubte sich einen kurzen Blick auf den Schirm, um zu überprüfen, ob die Bildbegleitung im Takt zu seinem Vortrag blieb.
»Das befähigte uns, bereits nach wenigen Stunden rund um die Kraftwerke Strominseln aufzubauen, die dann sukzessive erweitert wurden.«
Auf der Landkarte hinter ihm wuchsen kleine Punkte zu größeren Feldern.
»Im Lauf der folgenden Stunden konnten wir diese regionalen Einzelnetze nach und nach synchronisieren und so für fünfzig Prozent der Bevölkerung die Grundversorgung wieder sichern.«
»Monsieur Blanchard.« Aus dem kleinen Knopf im Ohr drang die Stimme seiner Assistentin. Ohne sich irritieren zu lassen, setzte er seinen Vortrag fort.
»Damit sind wir eines von ganz wenigen Ländern in Europa, denen das gelungen ist.«
»Monsieur Blanchard. Es ist sehr wichtig.« Die Stimme in seinem Ohr nervte ihn.
»Von den stabilen französischen Netzen aus werden wir auch die restlichen Staaten Europas wieder aufbauen können.«
»Beenden Sie die Pressekonferenz.«
Was hatte der Knopf im Ohr gesagt?
»Beenden Sie die Pressekonferenz. Es ist ein Notfall.«
Was für ein Notfall?, fragte er sich und sagte zum Publikum: »So viel fürs Erste. Ich danke für Ihr Kommen.«
Fragen brandeten ihm entgegen. Ohne weiter darauf zu achten, verließ er das Pult und eilte in den Nebenraum.
Seine Assistentin empfing ihn mit aufgerissenen Augen.
Blanchard fuhr sie an: »Wenn jetzt nicht mindestens der Präsident im Haus ist, können Sie gleich Ihre Sachen packen!«
»Es ist viel schlimmer«, erwiderte sie. »Sie müssen sofort nach oben in den zentralen Kontrollraum.«
»Was ist denn los? Jetzt sagen Sie schon!«
»Die wissen es nicht. Das ist das Problem.«
Blanchard nahm den Fahrstuhl.
In dem Saal mit den Monitoren und Arbeitsplätzen voller Bildschirme diskutierten die Operatoren aufgeregt. Einige stützen sich vor den Computern auf die Tische und starrten in die Bildschirme. Andere telefonierten hektisch. Die große Übersichtswand zeigte das Bild der letzten Stunden. Einige grüne, einige rote Regionen. Die Bildschirme an den Arbeitsplätzen waren alle blau.
Sein Magen sackte in die Kniekehlen. Er stürmte zum erstbesten Operator. Auf dem farbigen Bildschirm las er nur eine Fehlermeldung:
DRIVER_IRQL_NOT_LESS_OR_EQUAL
stop: 0x00000001 (0x000003E8, 0x00000002, 0x00000001, 0x903A7FC4)
RT86WIN7.sys-adress 9003A7FC4BASE at 90397000, datestamp 49a65b16
»Was, zum Teufel, ist geschehen?«
Der Mann, ein erfahrener Mitarbeiter, schüttelte ratlos den Kopf.
»Alles weg. Blue Screens. Sämtliche Computer. Sieht aus wie ein Totalausfall.«
»Wie? Wann?«
»Vor etwa zehn Minuten. Zuerst gab es auf einigen Workstations schon Schwierigkeiten. Nach und nach gab alles den Geist auf.«
»Verdammt! Okay … okay.« Blanchard überlegte fieberhaft. Sie hatten zwar keinen Überblick mehr, aber davon brachen die Netze noch nicht zusammen. Zumindest nicht kurzfristig. Es war, als wären sie in der Nacht mit einem Schiff auf dem Meer unterwegs, Lichter und Instrumente ausgefallen, aber der Motor lief. Das wurde solange kein Problem, solange keine Klippen, Eisberge, Untiefen oder schweren Wellen auftauchten. Erst wenn Fehler auftraten, die Operatoren manuell korrigieren müssten, kamen sie in Schwierigkeiten.
Einer der Operatoren schwenkte einen Telefonhörer über seinem Kopf.
»Ich habe da das Operation Centre dran«, rief er.
Dort kontrollierten Operatoren nicht den Zustand des Netzes, sondern jene Server, die das Netz steuerten. Bei dem Schiff, das ohne Instrumente durch die Nacht fuhr, begann der Motor zu spucken.
»Das OC meldet Serverausfälle.«
»M …! Schicken Sie Albert Proctet hin! Sagen Sie, dass ich unterwegs bin! Wenn was ist, ich bin dort erreichbar!«
Hastig verließ Blanchard den Raum.
Ratlos stierte Turner auf das leere Podium, von dem der Sprecher des Centre National d’Exploitation Système so plötzlich verschwunden war, ohne Fragen zu beantworten.
»Was war das jetzt?«, fragte er Shannon.
Die anderen anwesenden Journalisten sahen sich nicht minder verwirrt an. Ein Summen von Fragen und Vermutungen erfüllte den Raum. Vereinzelte Stimmen riefen noch immer laut nach Antworten,
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