Blackout
drückte mir einen Schuhkarton vor die Brust, in dem sich meine persönlichen Gegenstände befanden. Die Glastüren glänzten auf, und dann waren die beiden verschwunden. Ich machte ein paar zittrige Schritte und setzte mich erst mal auf einen Übertopf.
Nach genau zwei Sekunden fing ich plötzlich heftig an zu zittern.
Leute gingen achtlos an mir vorbei, besprachen ihre Pläne fürs Wochenende und beschwerten sich über ihren Kaffee.
Nach einer Weile gelang es mir, meine Gedanken zu sammeln. Meine Handschrift auf dem Streichholzheftchen? Vielleicht war es um meine geistige Gesundheit tatsächlich schlimmer bestellt, als ich ahnte. Aber es gab doch auch Hinweise, dass das genaue Gegenteil der Fall war. Selbst wenn man paranoid ist, bedeutet das noch lange nicht, dass man nicht wirklich verfolgt wird. Tatsächlich wäre es sogar einfacher, jemand eine Tat anzuhängen, der ständig am Rande seiner Nerven laviert.
In der Nacht, als Kasey Broach ermordet wurde, war Morton Frankel damit beschäftigt, eine andere Frau zu vergewaltigen. Aber irgendjemand hatte ihm den Mord anhängen wollen, genau wie mir. War er der Ersatzsündenbock für den Notfall? Oder wollte es jemand so aussehen lassen, als wollte mich Frankel wie den Mörder aussehen lassen? War er wirklich hinter mir her? Oder war ich dazu auserkoren worden,
ihn
zu erledigen? Und, voilà, schon hing ich am Sims wie James Stewart in der dramatischen Szene in
Vertigo.
Schließlich holte ich das Handy aus dem Schuhkarton und wählte Chics Nummer.
Er ging schon ran, kaum dass ich das erste Tuten gehört hatte.
»Hol mich bitte ab«, sagte ich. »Ich hab jede Menge zu tun.«
Bis Chic eintraf, hatte ich mich wieder ziemlich beruhigt, aber beim Gedanken an diese paar völlig schutzlosen Minuten im Gemeinschaftsraum kochte mir immer noch die Säure im Magen hoch.
Chic hielt neben mir und erklärte: »Ich bin es langsam leid, dich ständig aus dem Gefängnis abzuholen.«
»Tu doch einfach so, als wärst du mein Zuhälter.«
»Du mit deinen schlecht bezahlten Jobs.«
Als ich ihm erzählte, dass ich Johnny Ordean das Haar gegeben hatte, konnte Chic nur verständnislos den Kopf schütteln. »Ich bitte dich, Drew-Drew. Diese Typen sind doch dritte Liga. Du solltest es wirklich besser wissen, als so ein Beweisstück jemand in die Hand zu geben, der quasi Hysteriker von Beruf ist.«
»Was hätte ich denn sonst tun sollen?«
»Ich bin sicher, dass ein gewisser Jemand schon irgendeinen im Vaterschaftstest-Business kennt, der ein Haar hätte analysieren können. Solche Leute plaudern auch nicht so viel. Nicht wie diese Typen im Studioscheinwerferlicht.«
Nicht zum ersten Mal wünschte ich mir, ich wäre mit Chics gesundem Menschenverstand geboren worden.
Wir fuhren eine Weile schweigend dahin, während ich mir überlegte, was ich als Nächstes tun wollte.
Da klingelte mein Handy – es war Preston, der unbedingt auf den neuesten Stand gebracht werden wollte. Ich gab ihm eine Zusammenfassung der Ereignisse, aber dann fing Chic an, mir ins andere Ohr zu sprechen, also schaltete ich auf Lautsprecher.
Wir fingen alle drei gleichzeitig an zu reden. Preston setzte sich natürlich durch. »Also gut, jemand will dir die Sache anhängen. Jemand will die Sache aber auch Mort anhängen. Irgendwie kommst du nicht ganz zum Punkt, mein Lieber.«
»Das versuch ich ihm ja auch schon die ganze Zeit zu erklären«, schaltete sich Chic ein. »Wenn Mort nicht der Täter war …«
»Aber warum sollte er sich dir gegenüber dann so absurd feindselig verhalten?«
Ich war so sauer über ihr »Ebony and Ivory«-Spielchen, dass ich einen Moment brauchte, bevor ich antworten konnte.
Aber Chic gab mir keinen Moment. »Weil der Typ dachte, dass
du
die Sache
ihm
anhängen willst.«
»Er ist in dieser Geschichte der Angeschmierte, genauso wie du«, fasste Preston zusammen. »Und du stellst immer noch nicht die alles entscheidende Frage. Und zwar …«
Und jetzt Preston und Chic, im nervigen »Ebony and Ivory«-Duett: »Wer hat versucht,
Mort
die Schuld in die Schuhe zu schieben?«
Chic starrte mich erwartungsvoll an. Von Preston kam nur leises Rauschen. Offensichtlich waren sie im Fragenstellen besser als im Antwortengeben. Frustriert schwiegen wir eine Weile, dann verabschiedete sich Preston. Die Stille, die darauf folgte, fühlte sich an wie eine Niederlage.
Mein Highlander parkte an der Mulholland, wo ich ihn hatte stehen lassen.
Chic zwinkerte mir zu, als ich ausstieg. »Ruf
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