Blackout
in dem alles mehrfach reflektiert wurde, seitlich wie frontal. Der Geruch hier war mir wie ins Gedächtnis eingebrannt und versetzte mich in jene unendlichen vier Monate zurück. Der fleckige Beton, der metallische Lärm, das Echo des von den Mauern gedämpften Rufens und Klirrens. Die stickige Luft drang mir bitter in die Kehle.
»Sie müssen mich zuerst formell anklagen«, sagte ich, »und mir erlauben, einen Anwalt anzurufen.«
Die Detectives ließen ihre Glocks in den entsprechenden Spinden zurück, und wir gingen durch die doppelten Sicherheitstüren ins Niemandsland der Deputys mit ihren grün-braunen Uniformen und dem Pfefferspray im Halfter. Hinter einer weiteren Gittertür sah ich die Gefangenen im großen Gemeinschaftsraum hin und her laufen. Sie redeten Blödsinn, und ihr forciertes Lachen hatte einen aggressiven Unterton. Frankel war nicht unter ihnen, aber das würde wahrscheinlich nicht mehr lange dauern. Während zwei Kohorten warteten, beugte sich ein Gefangener mit rasiertem Schädel und einem Ziegenbart über einen dünnen schwarzen Jugendlichen und klemmte ihn zwischen seinem Körper und einem vergitterten Fenster ein. Plötzlich schien die ganze Gruppe unsere Gegenwart zu spüren, Köpfe drehten sich zu uns, zu mir.
Ich wand meinen Arm aus Kadens Griff. »Das ist doch scheiße. Das können Sie nicht machen.«
Kaden schloss meine Handschellen auf. Der Deputy nickte seinem Kollegen hinter der kugelsicheren Glasscheibe zu, dann summte das Gittertor freundlich, und er zog es auf und schob mich mit sanfter Gewalt hinein. Ich wusste, dass es zwecklos war, mich zu ihm umzudrehen und zu betteln, also blieb ich einfach stehen, das Gesicht den Männern zugewandt. Der Gemeinschaftsraum war lang, mindestens hundert blaue Overalls saßen auf den Metallbänken oder hingen an den Stangen, an denen sie ihre Klimmzüge machten. Die Luft war stickig und warm, und die Hitze all dieser heißen, trainierenden Körper vibrierte in der Luft wie eine tiefe, lang angehaltene Note.
Hinter mir schloss sich die Gittertür mit stählerner Endgültigkeit.
Ungefähr fünfzehn Häftlinge, deren Interesse geweckt worden war, kamen auf mich zu. Ein Mann, der auf den Unterarmen zwei identische Kreuze eingebrannt trug, ging vorneweg und spreizte seine Finger, als wollte er sie dehnen. Ich wich zur Seite, bis ich die Betonwand im Rücken spürte. Die anderen verteilten sich strategisch vor mir und rückten langsam näher.
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40
D er Häftling mit den eingebrannten Kreuzen auf den Unterarmen lächelte, wobei es so aussah, als sträube sich sein roter Schnurrbart. Als er einen Scheinangriff auf mich startete, schlug ich mit einer kurzen Geraden nach ihm und verfehlte ihn weit.
Die anderen pfiffen und lachten und irgendjemand meinte: »Der reinste Mike Tyson.«
»Du liebe Scheiße«, korrigierte einer der schwarzen Häftlinge, »das weiße Jungchen hier ist der reinste Jack Dempsey, mit dem werdet ihr noch ’ne Menge Spaß haben.«
Ein anderer Typ näherte sich mir von links, und ich streifte sein Kinn mit einem kräftigen Schwinger, doch der Schwung meines Schlags brachte mich selbst aus dem Gleichgewicht. Der Mann mit den Brandzeichen kam von rechts und umklammerte mich von hinten, so dass ich mich nicht mehr rühren konnte. Er drückte sich mit dem ganzen Körper an mich und blies mir seinen schalen Zigarettenatem über die Wange. Ich versuchte mich umzudrehen und mit den Ellbogen einen Treffer zu landen, aber er hob mich einfach in die Höhe und ließ mich dann auf den kalten Beton fallen. In der nächsten Sekunde sah ich auch schon Hunderte von weißen Leinenschuhen rasch auf mich zukommen.
Ein stählernes Krachen, und die Menge zerstreute sich, auch mein Angreifer ließ mich los. Kaden zog mich auf die Füße und drängte mich hinaus, den Flur entlang, in einen Fahrstuhl, in dem Delveckio und er sich schweigend rechts und links von mir hinstellten. Wir sahen aus wie drei leitende Angestellte, die zu Feierabend ihre Firma verlassen. Bevor sich mein Atem wieder beruhigt hatte, führten sie mich durch die Lobby und hinaus in den hellen Nachmittag.
Kaden bohrte mir einen Finger in die Wange. »Wir möchten Ihnen einen ganz dringenden Rat geben. Halten Sie sich verdammt noch mal aus dieser Ermittlung raus. Komplett. Nein, ich möchte mich korrigieren. Nicht nur aus dieser Ermittlung, sondern aus allen Ermittlungen und sämtlichen Aktivitäten des LAPD . Klar?«
Ich atmete immer noch keuchend. »Klar.«
Delveckio
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