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Blackout

Blackout

Titel: Blackout Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gregg Hurwitz
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also angeklagt und darf keine menschlichen Reaktionen mehr zeigen?«, fragte ich.
    »Sicher, aber glauben wird dir keiner. Wenn du jetzt ehrlich bist, dann zerlegen sie dich gleich. Jeder wird glauben, dass du nur eine Show für die Jury abziehen willst. Das ist hier wie ein großes Spiel. Je schneller du das kapierst, umso besser.«
    »Also, was soll ich tun?«
    »Unschuldig aussehen.«
    »Ich
bin
unschuldig.«
    »Sieh danach aus.«
    Wir blieben ein Weilchen schweigend sitzen und starrten uns an. Die Wache kam zu uns herüber. »Die Zeit ist um.«
    Chics Blick zuckte kaum, als er das Spiegelbild der Wache in der Glasscheibe wahrnahm. »Ich bin gerade erst gekommen.«
    »Sie gehen jetzt hier rechts raus. Klar?«
    Chic saugte an seinen Zähnen und verzog den Mund zur Seite. »Ja,
klar.
« Dann, an mich gewandt: »Halt durch. Ich bin für dich da, was auch immer du brauchst.« Er schob quietschend seinen Stuhl zurück, und dann hörte ich seine Schritte von den kalten Betonwänden widerhallen.
     
    Am nächsten Morgen hatten meine Anwälte ein Treffen angesetzt, und es ging wieder durch den nach Ammoniak stinkenden Korridor in den Plexiglas-Pavillon. Sie saßen wartend auf ihren Stühlen, ihre Konturen hell umrissen vom starken Morgenlicht. Der eine hatte sich nach vorne gelehnt, die Ellbogen auf die Knie gestützt und die Lippen geschürzt angesichts der Last kommender Entscheidungen. Der andere kippelte mit seinem Stuhl nach hinten, drückte sich einen Daumen in die Wange und fuhr sich mit dem Zeigefinger über die Oberlippe. Beide hielten die Köpfe gesenkt wie im Gebet. Bevor ich ihre Gesichtszüge erkennen konnte, hatte ich schon das starke Gefühl, dass ich auf das berühmte Bild von JFK und Bobby Kennedy zumarschierte, das aufgenommen wurde, als Chruschtschows Schiffe mit Volldampf auf Kuba zuhielten.
    Ich verstand ihre Besorgnis. Ich hatte schon gezeigt, dass ich ein extrem unkooperativer Mandant war. Gegen ihren Rat hatte ich mich entschieden, auf mein Recht auf einen möglichst baldigen Prozess nicht zu verzichten. Der Antrag auf Kaution war abgelehnt worden, eine Sicherheitsmaßnahme des Richters, dem man diesen Prozess übertragen hatte und der schon jetzt eingeschüchtert war von den immer lauter schmetternden Fanfaren der Medien. Die Aussicht, vielleicht Jahre hinter Gittern verbringen zu müssen, während ich auf meinen Prozess wartete, war so grauenhaft für mich, dass ich die Sache einfach nicht objektiv betrachten konnte. Meine Anwälte und ich hatten auch diverse Male über das Plädoyer diskutiert. Ich konnte wählen zwischen
schuldig
und
nicht schuldig.
In der zweiten Phase des Prozesses würde man auf vorübergehende geistige Unzurechnungsfähigkeit plädieren – aber nur, wenn man mich für schuldig befinden sollte.
    Donnie Smith, dem das Haar noch halb nass am Kopf klebte, weil er sich gerade nach dem Fitness-Training noch geduscht hatte, nahm den Faden dort wieder auf, wo wir beim letzten Mal aufgehört hatten. »Wenn Sie auf
nicht schuldig
plädieren, verärgern Sie damit nur den Richter, die Öffentlichkeit, die Presse und das Gericht. Und das sind genau die Leute, die über Ihr Schicksal entscheiden werden. Nicht nur diese zwölf Geschworenen. Sie müssen auf
schuldig
plädieren, damit Sie in der Frage der eingeschränkten Zurechnungsfähigkeit glaubwürdiger dastehen. Aufgrund des massiven Medieninteresses wird Harriman den Fall verhandeln, und Sie können was darauf wetten, dass sie uns in der ersten Phase, wenn wir auf schuldig plädieren, ungespitzt in den Boden rammen wird. Wir müssen so schnell wie möglich zur Frage der Schuldfähigkeit kommen und vermeiden, dass Sie sich durch einen Prozess quälen, der für Sie so gut wie aussichtslos wäre.«
    Mein Herz fühlte sich an, als flattere es in meinem Gefängnishemd herum. »Aber ich habe es nicht
getan.
Und kein Mensch auf der Welt will mir glauben.«
    Diese Behauptung hörten sie nicht zum ersten Mal. Ausdrucksloser Blick. Geduldig. Aber nicht weit entfernt davon, demnächst die Geduld zu verlieren.
    »Ihr Standpunkt lautet also, Sie können sich nicht erinnern, dass Sie sie
nicht
umgebracht haben?« Donnie sprach ganz langsam, als rede er mit einem geistig zurückgebliebenen Kind.
    Ich gab keine Antwort. Es klang für mich ja genauso dumm. Wie schon bei den anderen Treffen stieg mit jeder Minute meine Angst, überhaupt nichts zu meiner Verteidigung sagen zu können. Und dass ich etwas gestehen musste, was ich gar nicht getan hatte,

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