Blackout
wenn ich nicht in einer Gefängniszelle sterben wollte.
Schließlich kochte mein Frust über. »Versucht eigentlich überhaupt jemand herauszufinden, wer es wirklich getan hat? Oder sind alle zu beschäftigt damit, ihre Spielchen vor Gericht zu planen, so wie wir?«
Donnie und Terrie sahen sich unangenehm berührt an.
»Was?«, bohrte ich nach. »Was soll denn dieser Blick schon wieder heißen?«
»Die Polizei von L.A. hat gestern etwas Beunruhigendes entdeckt«, erklärte Donnie. »Geneviève hat Sie in der Mordnacht um 1 Uhr 08 angerufen, ungefähr zwanzig Minuten, bevor sie umgebracht wurde.«
»Das hat man mir bereits mitgeteilt.«
Donnie holte eine versiegelte Tüte des LAPD aus seiner Aktentasche. Sie enthielt eine CD . »Und sie hat Ihnen eine Nachricht hinterlassen.«
»Ist das denn schlimm?«, erkundigte ich mich. Keine Antwort. Aufgeregt stand ich auf, ging einmal im Kreis, setzte mich wieder. »Deswegen kam ich also nicht mehr an meine Voicemail.«
Donnie legte die CD in seinen Laptop ein und drückte ein paar Tasten.
Die vertraute Stimme, von den Toten auferstanden, jagte mir eine Gänsehaut über den Rücken. »Ich wollte dir nur sagen, dass ich jetzt mit jemand anders zusammen bin. Ich hoffe, ich tue dir weh damit. Ich hoffe, dass du unter diesem Schmerz leidest. Ich hoffe, du fühlst dich so richtig einsam. Adieu.«
Ich brauchte einen Moment, um mich überhaupt davon zu erholen, Genevièves Stimme gehört zu haben. Mein Herzschlag hämmerte mir in den Ohren, und meine Anwälte starrten mich mit stiller Besorgnis an. Ihre Tonlage, der Akzent, die Aussprache. Hinzu kam die Irritation, dass man mit dem Abspielen dieser Nachricht einfach so in meine Intimsphäre eingedrungen war. Die Polizei hatte Genevièves letzte Worte vor mir gehört. Die Nachricht war von der Staatsanwaltschaft zurückgehalten und mir erst aus zweiter Hand zugänglich gemacht worden – wie der Rest meines Lebens – und lieferte nun den letzten Nagel für den Sarg, in dem man meine Rechte und meine Privatsphäre beerdigte.
Ich konnte mich natürlich nicht erinnern, in der Mordnacht Genevièves Nachricht gehört zu haben. Ihre Bitterkeit stand in krassem Gegensatz zu unserem Verhältnis nach der Trennung, zumindest wie ich es empfunden hatte. Aber sie war immer wieder launisch und schwierig gewesen, also erschreckte mich der Ton eigentlich nicht. Ich konnte mir unter keinen Umständen vorstellen, dass ich Geneviève deswegen hätte weh tun wollen. Aber, wie mir mit wachsender Angst bewusst wurde, diese Nachricht kam gerade recht für eine Jury, die nach den Fotos ihres geschundenen Körpers ohnehin schon voreingenommen war.
»Das spricht noch mehr für das Motiv, das man Ihnen unterstellt«, erklärte Donnie sanft. »Wir brauchen also eine ganz schlichte Version, die wir den Geschworenen gut verkaufen können. Vorübergehende geistige Unzurechnungsfähigkeit ist Ihr einziger Ausweg. Es ist sauber. Es erklärt sich von selbst. Es wird von den Fakten unterstützt.
Der Gehirntumor hat es getan.
«
Ich erwiderte seinen verzweifelten Blick.
Er fuhr fort: »Wir legen die Fakten auf den Tisch, und Sie spazieren aus diesem Gefängnis heraus. Über den Rest können Sie sich dann irgendwann in Ihrem eigenen Bett Gedanken machen.« Er studierte meinen Gesichtsausdruck und entdeckte darin etwas, was ihm nicht gefiel. »Wenn wir bei all den Umständen, die gegen uns sprechen, unsere Karten falsch ausspielen …«
Der Gedanke ließ mich in die Fötalposition zusammensacken, meine Schultern krümmten sich nach unten, und meine Schuhe hatten sich schon fünf Zentimeter vom Boden gehoben, bevor ich die Bewegung meiner Knie Richtung Brustkorb stoppen konnte. In den Filmen ist das mit dem Gefängnis eigentlich immer dasselbe: Man geht verängstigt rein, und die anderen hänseln einen und wetten Zigaretten darauf, wie lange es dauern wird, bis man in Tränen ausbricht. Man teilt sich die Zelle mit Bubba, und er weiht einen richtig ein, und dann wird man hart, stirbt innerlich völlig ab und fängt an, einen Tauschhandel mit Schokoriegeln aufzuziehen, und dann muss man irgendeinen Typen abstechen oder seine Kumpel werden dich der Reihe nach vergewaltigen, und am Schluss wird man sowieso von ihnen vergewaltigt.
»Sie sind Krimiautor«, stellte Terry ruhig fest. »Erlauben Sie uns, Ihnen zu zeigen, wie diese Story in den Ohren der Geschworenen klingen wird. Gehen wir sie einfach noch mal zusammen durch.«
Und das taten sie auch, vom
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