Blade 02 - Nachtklinge
das Gesicht. »Der Basileus«, wiederholte sie mit Nachdruck. »Kaiser Johannes V. Palaiologos, direkter Nachfahre der Cäsaren. Ein selbstherrlicher und abergläubischer alter Mann. Er ist mir schon lange ein Dorn im Auge.«
»Warum habt Ihr nicht jemanden nach Konstantinopel geschickt?«
Alexa lächelte. »Du würdest wahrscheinlich einen Versuch wagen.«
»Solange ich über Land dorthin reisen kann.«
»Es ist erstaunlich, dass du die Reise mit dem Schiff überlebt hast. Deine Art braucht Erde unter ihren Füßen, sonst kann sie nicht gedeihen.«
»Meine Art?«
»Jeder hat Wurzeln. Ein Gelehrter meines Neffen Tamerlan war kürzlich so freundlich, mich über deine Wurzeln zu unterrichten. Der Basileus ist allerdings so gut geschützt, dass nicht einmal du in seine Nähe kommen könntest. Obwohl ich gute Lust hätte, es auf einen Versuch ankommen zu lassen. Ich stelle dir jetzt eine Frage und erwarte eine aufrichtige Antwort.«
Tycho wartete.
»Was hast du getan, um Giulietta so unglücklich zu machen?«
»Ich habe um ihre Hand angehalten.«
»Du hörst mir nicht zu. Ich habe nicht nach deiner letzten Dummheit gefragt. Ich will auch nicht wissen, was du zu ihr gesagt hast, als sie Gräfin Desdaio bei dir antraf.« Als sie sein entsetztes Gesicht sah, fügte sie hinzu: »Ja, auch darüber weiß ich Bescheid.«
»Zwischen Desdaio und mir war nichts.«
»Da ist meine Nichte anderer Ansicht. Nein, ich meinte das, was noch vor San Lazzaro geschehen sein muss. Was ist passiert?«
»Ich habe ihr ein Geheimnis anvertraut.«
»Du hast ihr gesagt, wer du bist.«
»Dogaressa«, erwiderte Tycho, »ich weiß ja selbst nicht, wer ich bin.«
»Du hast dich als einen der
Gefallenen
bezeichnet.«
»So hat sich meine Mutter genannt. Das hat mir eine Frau gesagt, bevor ich mich plötzlich … in Venedig befand. Oder nein, so war das nicht. In der Schlacht vor Zypern habe ich das Leben eines mameluckischen Prinzen verschont, und er hat mir von meiner Abstammung erzählt.«
»Woher sollte er davon wissen?«
»Er sagte, sein Vater habe mich den Söldnern Timurs abgekauft und Magier hätten mir durch Zauberei einen einzigen Gedanken eingegeben: Euch töten zu müssen. Angeblich steckt der Regent dahinter. Er hat dem Auftrag mit venezianischem Gold den nötigen Nachdruck verliehen.«
»Das hast du nicht gesagt, und ich habe es nicht gehört.«
»Selbstverständlich nicht, Dogaressa.«
»Solche Schauergeschichten müssen meine Nichte ja durcheinanderbringen.« Alexa hob den Schleier und musterte ihn mit ihren dunklen Augen. Ihr Gesicht wirkte alterslos, und ihre helle Haut war ohne Makel.
Je länger er sie ansah, desto jünger schien sie ihm, bis er schließlich einem mongolischen Mädchen in die Augen blickte. Sie lächelte, als amüsiere es sie, erkannt zu werden, und überwältigende Traurigkeit stieg in ihm auf, als sie den Schleier wieder senkte. »Du liebst meine Nichte«, stellte sie etwas überrascht fest. »Ich habe gedacht, du wärst einfach nur ehrgeizig.«
»Dogaressa …«
»Ja, ja, schon gut. Du kannst ohne sie nicht leben, und es ist völlig bedeutungslos für dich, dass eine Heirat mit ihr dich zum Prinzen machen würde.« Sie seufzte. »Jedenfalls kommt eine Ehe zwischen euch nicht infrage. Gegen eine Liebschaft ist jedoch nichts einzuwenden.«
Sie hob die Hand, als Tycho protestieren wollte.
»Wenn es dazu kommt, meinetwegen. Ich werde Giulietta hierherzitieren, eine Weigerung akzeptiere ich nicht noch einmal. Einstweilen lassen wir Sigismunds Gesandten wissen, dass eure Liebschaft bereits eine Tatsache ist.«
»Wird die bloße Behauptung denn ausreichen?«
»Zunächst ja. Der Gesandte ist verpflichtet, darüber Bericht zu erstatten, und Sigismund muss diese
Tatsache
mit seinen Beratern besprechen.«
»Was ist mit Giuliettas Kind?«
»Was weißt du über Leo?«
»Darf ich Euch fragen, was Ihr über ihn wisst?«
Einen Moment lang sah es so aus, als würde sie ihm befehlen, ihre Frage zu beantworten, und Tycho zweifelte nicht daran, dass ihre Magie ihm die Zunge lösen konnte. Doch dann erwiderte sie: »Ich weiß nicht das Geringste. Du hast keine Ahnung, wie beunruhigend das ist.«
»Aber Dogaressa, Ihr müsst doch …«
»Natürlich habe ich das Balg in den Armen gehalten. Giulietta ist die leibliche Mutter, so viel weiß ich, die Blutlinie meines Mannes ist unverkennbar. Aber ich habe nichts von Leopolds Vaterschaft und Sigismunds Blut gespürt.«
»Leopold ist nicht der
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