Blätter treiben im Wind (German Edition)
sich nicht mehr ans Steuer. Er war schon zu müde.
Die Menschen die er liebte, denen vertrautet er auch. So war es auch an diesem Abend. Seine Lider wurden immer schwerer – nach einem außergewöhnlich anstrengenden Tag – und er setzte sich auf den Rücksitz des Mercedes. Nur kurze Zeit danach schlief er ein und ruhte fest am Ende eines außergewöhnlich anstrengenden Tages.
Es war ein harter Kampf, den sie am Steuer des Wagens austragen musste. Der peitschende Regen ließ die Straße vor ihren Augen verschwimmen. Nur einzelne Schattierungen waren zu erkennen. Sie fuhr langsam. Doch bei diesem Wetter und auf dieser gefährlichen Strecke, der Küstenstraße, war auch Schrittgeschwindigkeit noch zu schnell. Die Bäume und Sträucher an dem Hügel links von ihr bogen und sträubten sich im stürmischen Wind. Das hohe Gras wurde niedergedrückt. Die ansonst blühenden Hügel waren der Naturgewalt ausgeliefert.
Sie traute sich nicht nach rechts zu blicken. Sie musste die Straße im Auge behalten. Es folgte eine Biegung, die den Weiterverlauf der Straße durch den immer höher werden Hügel nicht einsehbar machte.
Plötzlich ...
Ein Schrei!
Er konnte gerade noch die Hintertür öffnen, und dann ... war es schon zu spät.
Kapitel 7
Gegenwart
Tom stand vor einem, sich im Sonnenlicht zum König erhebenden, Ahornbaum. Seine feuerroten Blätter funkelten wie Edelsteine. Der Ahorn war in Vermont die tonangebende Baumart. Viele lebten von diesen Bäumen. Hauptsächlich die Menschen, die daraus den berühmten Maple Sirup gewannen. Doch auch Tom lebte davon. Er atmete die Farben und die reine Luft ein, die sich durch die Blätter schlängelte. Hier, in der Nähe von Hardwick und Mackville hatte er gelernt, dass man auch Farben einatmen konnte.
Tom spazierte zuerst durch die Wälder, später am Nichols Brook entlang. Der Fluss machte den Eindruck, als ob darin Diamanten lagen, die man einfach nur noch greifen musste. Die Strahlen der Herbstsonne vermittelten diesen Eindruck, in dem sie ihre Kräfte bündelten und ihre Spitzen auf den See hinabwarfen. Der Indian Summer war im Begriff den Vorhang zum ersten Akt hochzuziehen. Die Blätter begannen ihre eigenwilligen Farben anzunehmen.
Tom standen die Schweißperlen auf der Stirn. Die Tüten voller Lebensmittel die er trug, wurden auf die Dauer immer schwerer. Er hatte es Cooper versprochen, dass er ihm diesen Weg abnehmen würde.
Cooper Cheetwood war ein neunzigjähriges Vermonter Urgestein. Wie die gigantischen Granitsteine von Barre. Als vor fünf Jahren seine Frau Diadora starb, starb auch ein Teil von ihm. Ein Teil der für immer weg war. Cooper hatte nur noch seine Veranda, auf der er täglich in seinem Schaukelstuhl saß und in weiter Entfernung den Mackville Pond beobachtete. Die Wellen, die sich weich im Licht brachen, vermittelten ihm ein Gefühl des Friedens. Er wollte nur noch die Natur sehen, sonst niemanden mehr. Bis vor kurzem ein junger Mann bei ihm an die Tür klopfte und ihn um eine Auskunft bat. Tom Avellone, stellte er sich vor. Cooper kam schnell mit ihm ins Gespräch. Er war keiner der Mackville-Rasse. Sie hassten ihn alle. Er war, nach dem Tod seiner Frau, für sie zu einem Aussätzigen geworden. Keiner wollte mehr etwas mit dem alten Mann zu tun haben. Seine Beine konnten nicht mehr das leisten, was sie noch vor zwanzig Jahren geschafft hatten. Daher bot ihm Tom seine Hilfe an. Er versprach ihm, dass er ihm einmal die Woche Lebensmittel bringen würde. Tom machte das gerne.
»Hallo, Tom « , begrüßte Cooper ihn, »komm herauf. Ich hoffe, du hast gute Sachen für mich gekauft. «
»Wie immer, Coop. Marie hat weiterhin keine große Auswahl in ihrem Store. «
»Sie wird für all die Landeier aus Mackville auch nichts weiter aufnehmen. «
Cooper Cheetwood hatte selbst nie eine größere Stadt wie Burlington gesehen. Daher war er auch ein Landei. Er schimpfte nur zu gerne über die Dorfbewohner, die ihn mit Verachtung straften.
Tom betrat die weiß gestrichene Veranda. Sie sah seiner zum Verwechseln ähnlich.
»Sag‘ doch so was nicht. Marie ist doch ein lieber Mensch. «
»Dieses alte Waschweib meckert doch nur. Oder hat sie sich das mittlerweile abgewöhnt? «
Tom schüttelte den Kopf. »Nein. Heute schimpfte sie über Pfarrer O’Conner. Er hatte am Sonntag in der Predigt einiges gesagt, das ihr nicht passte «
»Ich sag‘ es dir doch, die ändert sich nie « , bestätigte Cooper seine Vermutungen.
»Soll ich die
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