Blätter treiben im Wind (German Edition)
will ja nicht, dass du ihr gleich einen Heiratsantrag machst, aber ein netter Brief, in dem du sie nicht gleich vor den Kopf stößt, wäre doch wirklich nicht zu viel verlangt«, munterte Shawn Tom auf.
»Das muss ich mir von einem sagen lassen, der erst eine Frau ...«
»Sei nicht unfair«, fuhr ihm sein Freund in die Parade.
»Entschuldige, Shawn.«
»Ich zahl heute dein Ben & Jerry , Tom, und du gehst jetzt heim und setzt dich hin und schreibst«, befahl Shawn mit einem Lächeln auf den Lippen.
Tom sah seinen Tresennachbarn tief in die Augen, klopfte ihm auf die Schulter und verließ den Rusty Rosenbaum Drugstore.
Die brennenden Scheite knisterten im Kamin. Duftkerzen verströmten einen angenehmen Geruch im Raum. Tom machte es sich bequem. Er setzte sich aufs Sofa, wickelte sich in eine Decke ein, zog die Knie an um darauf ein geschliffenes Brett abzulegen. Es sollte ihm als Schreibunterlage dienen.
Bevor er den Brief an Donna begann, sah er nochmals ihr Bild an. Er schüttelte den Kopf und biss sich spielerisch auf die Unterlippe. Was war sie doch außergewöhnlich! Ihren Kopf zierten keine Haare im gewöhnlichen Sinn. Sie besaß eine Mähne, die sich aus geflochtenen Rastazöpfchen zusammensetzte. Diese reichten ihr bis zum Po. Auf dem Bild hatte sie einen leuchtend orangefarbenen Bikini an. Sie hatte eine zierliche Figur. Ihre Größe konnte auf dem kleinen Foto nicht abgeschätzt werden. Vielleicht eins siebzig. Sie traute sich was und musste sehr von sich überzeugt sein, wenn sie ihm solch ein Foto schickte.
Tom zog den Stift aus der Halterung am Brett. Er wollte beginnen, das erste Wort zu schreiben, als ihm Debbi ins Gedächtnis fuhr . Die Gedanken an seine große Liebe schmerzten immer noch sehr. Sie hatten nie Streit. Er hatte alles getan, um ihre Partnerschaft nie eintönig werden zu lassen. Täglich arbeitete er an einem ständigen Weiterentwickeln der Beziehung, doch nach vier Jahren lag nur ein Haufen Scherben vor seinen Füßen, und er verstand die Gründe nur schwer. Sie war seine große Liebe, ohne Zweifel. Doch für Debbi war ihre Mutter wichtiger als er.
Im Hintergrund vernahm er leise Soulmusik aus den Lautsprechern. Die soulgewaltige Stimme des Sängers stahl ihm die traurigen Gedanken an Debbi. Gerade in dem Augenblick, als ein neuer Song begann, kamen Toms Katzen die Treppe vom Schlafzimmer herunter. Eine Weiße und eine Schwarze. Sie sahen aus wie Plüschtiere. Beide setzten sich zu seinen Füßen aufs Sofa und schnurrten voller Inbrunst.
Warum sollte er dieser Donna nicht schreiben? Konnte er dabei etwas verlieren? Sein Herz und seine Seele weilten hier in einem Wald in der Nähe des kleinen Städtchens Mackville. Donna Parrish, so hieß sie – er sah auf den Absender und die Anschrift auf dem Brief – lebte in Boston. Ihm konnte nichts passieren. Wenn er ihr schon schrieb, dann musste er einen gefühlvollen Anfang wählen. Er konnte nicht aus seiner Haut. Wenn er eine Frau bezaubernd fand, dann versuchte auch er, Magie zu versprühen.
Hallo Donna!
Was ich erfuhr von Dir, legte meine Sinne lahm
Du schriebest Dinge, die bezauberten mein Herz
Welch strahlender Glücksstern ruht in Deinem Herzen, um zu schreiben solch schöne Worte
Vor meiner Tür funkeln die Bäume in betörenden Farben
In Farben der Liebe und der Hoffnung
Deine Sinne und Dein Herz müssen diese Wildnis dazu verleiten, solch ein Farbenspiel reifen zu lassen
Weit bist du weg, von diesem Ort, welch Magie musst du besitzen, um zu vollbringen dieses Werk
Oh, Donna, ich rufe Dein Herz, lass mich erzählen von mir und öffne mir das Tor zu Deiner Seele, damit auch ich diese Magie besitz, um zu vollbringen solch ein Wunder
Dieses Gedicht irrte durch meine Gedanken, nachdem ich Deinen bezaubernden Brief las. Ich fand diesen mehr als nur überraschend. Es ist anzunehmen, dass uns eine überirdische Macht zusammenbringen will. Ob es gelingt, bleibt abzuwarten. Denn dass Du meinen Brief überhaupt zu lesen bekamst, ist nicht als Normal anzusehen.
Ich beginne vielleicht mit meinen Eindrücken von Deinem Bild. Was mir hierzu einfällt wird Dich sicher interessieren. Ich versuche es kurz zu machen.
Verführerisch, animalisch, bezaubernd, liebevoll, sexy, erotisch, verheißungsvoll, exotisch, frech, unschuldig, nachdenklich oder doch einfach nur schön!
Ich komme bei dem Anblick Deines Bildes und den Worten, die ich hier niederschreibe bereits
Weitere Kostenlose Bücher