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Blamage!

Blamage!

Titel: Blamage! Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christian Saehrendt
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modischen Codex sorgten stets für Gesprächsstoff an den Fürstenhöfen und Salons. Die reiche Bankierstochter Germaine de Staël, die sich als Salondame und Intellektuelle einen Namen machte, provozierte die Pariser Society nicht zuletzt auch durch ihr Outfit: Obwohl füllig und nach damaligen Maßstäben keine Schönheit, trug sie weit ausgeschnittene und nackenfreie Kleider, ihr Dekolleté war kaum zu überbieten. Der feinen Gesellschaft galt dieses Auftreten als außerordentlich peinlich, und sie überschüttete Madame mit Häme und Spott. Im merkwürdigen Kontrast zur vollendeten äußeren Form, zur Kleider- und Haarmode stand jedoch die Körperpflege. Niemandem war es peinlich, sich äußerst selten zu waschen, im Gegenteil, manche Ärzte rieten sogar ausdrücklich vom direkten Kontakt mit Wasser ab, da man dadurch eine Schwächung der inneren Organe befürchtete. Auch die feinen Herrschaften müssen folglich furchtbar gestunken haben, unter den Perücken juckte die Haut, und in den Haargebirgen tummelten sich Läuse und Flöhe in rauen Mengen. Und trotz aller Pracht schämte sich in Versailles wie in anderen vornehmen Häusern niemand dafür, seine Ausscheidungen ohne Vorwarnung aus dem Fenster kippen zu lassen – in Versailles war es daher angezeigt, stets nur mit aufgespannten Lederschirmen im Park zu lustwandeln. Der ganze Hofstaat stank unter seinen Perücken und schönen Kleidern vor sich hin. In der später folgenden Revolutionszeit schrieb die Mode dann sogar vor, sich ganz offen als möglichst schmuddeliger Stinker zu präsentieren: Auch die Aristokraten trugen nun schmutzige Arbeiterhosen und -jacken, Hüte oder gingen gar barhäuptig. Damit wollte man patriotische Tatkraft und Geschäftigkeit demonstrieren, für Frisur- oder Kostümierungsprobleme habe man nun keine Zeit mehr. Tatsächlich war es aber häufig ein sorgfältig stilisierter Schmuddel-Look, eine hochgradig gekünstelte Ungepflegtheit. 28 Dennoch wäre diese Mode wenige Jahre zuvor noch unendlich peinlich gewesen: Statt turmhoher Perücken trugen die Frauen nun römische Kurzhaarfrisuren, und die Männer liefen kurzgeschoren und ungepudert herum wie englische Bauern. Ridicule!
    Mangelnde Form konnte aber nicht nur in der Mode zu Blamagen führen, auch die Art sich zu bewegen, zu gehen oder zu stehen war streng geregelt. Stürze und rasche Bewegungen mussten in der formalen Kleidung unbedingt vermieden werden – man denke nur an die tonnenartigen Reifröcke, langen Schleppen und an die Frisuren mit hohen Aufbauten und ausladenden Applikationen. Es waren gezierte, kontrollierte Gesten und extrem formalisierte Tanzschritte angesagt: der Mensch als stehende und wandelnde Skulptur. Marie Antoinette schaffte es einmal, bei einem Jagdausritt in so hohem Bogen abgeworfen zu werden, dass sie kopfüber in ein Gebüsch stürzte und ihre Röcke über den Kopf schlugen, während ihre Beine steil in die Höhe ragten – nicht gerade ein majestätischer Anblick. Doch die junge Österreicherin nahm die Sache locker und teilte den Zofen lakonisch mit: »Man muss eben zu fallen wissen, meine Damen!« 29 Tatsächlich mussten die Röcke wie ein Fallschirm gewirkt und den Sturz somit rettend abgefedert haben. Ein weiterer positiver Effekt des voluminösen Reifrocks: Peinliche Schwangerschaften infolge von Seitensprüngen ließen sich auf diese Weise lange verbergen, bis in den sechsten, siebten Monat hinein.
    Männer waren blamablen Unfällen beim Tanz- oder Balzverhalten natürlich ebenso ausgesetzt. Der englische Intellektuelle Edward Gibbon (von ihm stammte der epochale Bestseller Vom Aufstieg und Fall des Römischen Reiches ) beispielsweise machte einmal einer schönen Dame den Hof und kniete vor ihr nieder. Leider war er so dick, dass er sich danach nicht mehr aus eigener Kraft erheben konnte. Die Kniefallszene ging in die Verlängerung, bis sich Diener endlich erbarmten, dem Freier, dem inzwischen die Worte ausgegangen waren, aufzuhelfen. 30 Ähnlich unelegant präsentierte sich Benjamin Franklin, einer der Gründerväter der USA . Er berichtete in seiner Autobiografie über eine peinliche Begegnung mit seiner späteren Frau. Der Bostoner Franklin war auf Arbeitssuche als junger Mann nach Philadelphia gekommen und wollte beim Bäcker für drei Pence Brot kaufen, kannte jedoch

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