Blamage!
dass Affären zum statuskonformen Leben gehören und Frauen der unteren Schichten Freiwild sind, wird dies im puritanisch geprägten Amerika deutlich anders bewertet. Es scheint übrigens geradezu eine Konstante in der französischen Geschichte zu sein, dass sich die Feldherren, Präsidenten und Spitzenpolitiker links und rechts des Weges der Damenwelt bedienten. Das war in den Augen der Franzosen nichts Skandalöses â auÃer, die Mächtigen stellten sich dabei allzu ungeschickt an, wie etwa der Präsident Felix Faure. Der 57-Jährige starb am 16. Februar 1899 in seinem Amtssitz in den Armen der Mätresse Marguerite Steinheil, der Frau des Hofmalers. Die Wache des Ãlysée-Palastes fand den röchelnden Präsidenten auf einem Sofa im Salon dâArgent, am äuÃersten Ende des Ostflügels. Seine Hände hatten sich in das Haar der Dame verkrallt, die völlig nackt unter ihm lag. Faure hatte einen Schlaganfall erlitten, offenbar begünstigt durch die mehrmalige Einnahme eines Aphrodisiakums. Die Finger des Präsidenten lieÃen sich nicht mehr öffnen, so musste man notgedrungen Madame Steinheil die Haare stutzen, um das Paar zu trennen. Die gerupfte Mätresse zog sich hastig an und flüchtete, der liebestolle Präsident starb einige Stunden später. Spötter riefen ihm ins Grab nach: »Il a voulu vivre César et il est mort Pompée« (»Er wollte wie Cäsar leben und ist wie Pompejus gestorben.« Pomper war ein volkstümlicher Ausdruck für Oralverkehr).
Was genau in jenem New Yorker Hotelzimmer am 14. Mai 2011 vorfiel, liegt bis heute im Dunkeln â immerhin haben alle Beteiligten überlebt. In den USA reagierte man allerdings viel ungnädiger auf den möglichen Ãbergriff des prominenten Franzosen und glaubte, man müsse Strauss-Kahn vor der Flucht ins Ausland verhaften. SchlieÃlich erwies sich sein vermeintliches Opfer als vollkommen unglaubwürdig, und den amerikanischen Behörden wurde die Sache dann selbst sehr peinlich.
Unvergessen ist auch, wie vor einigen Jahren die sexuellen Umtriebe des US -Präsidenten Bill Clinton zum Gegenstand eines hochnotpeinlichen Tribunals gemacht wurden. Ãberhaupt sind die öffentlichen Stellungnahmen von Politikern, die mit Callgirl-Engagements, Seitensprüngen und Ãhnlichem aufflogen, für alle Beteiligten extrem blamabel, wie neben Clinton sicherlich auch der New Yorker Gouverneur Eliot Spitzer oder der Abgeordnete Anthony Weiner bestätigen würden. Da winden sich die Sünder, schauen treuherzig ihr Publikum an, vergieÃen Tränen, während die düpierten Ehefrauen bisweilen mit versteinertem Gesicht daneben stehen, weil sie nach der Devise »Stand by your man« politischen Schaden abwenden wollen â ein heldenhafter Rationalismus. Nunmehr vor aller Welt blamiert von ihren Männern, halten sie dennoch zu ihnen. Und die mit dem Finger auf den Sünder zeigen, haben selbst oft ebenso viel Dreck am Stecken, verfahren aber allzu gerne nach der Devise »Haltet den Dieb«, um von sich selbst abzulenken. Newt Gingrich etwa, ein konservativer Politiker, der stets die »Familienwerte« hochhielt, war damals federführend am Amtsenthebungsverfahren gegen Clinton beteiligt, hatte aber zur gleichen Zeit selbst ein auÃereheliches Verhältnis. Ein vergleichbarer deutscher Fall war Michel Friedman, dem es im Gegensatz zu Gingrich aber ziemlich an den Kragen ging. Zeitweise galt Friedman als härtester Polit-Talker des deutschen Fernsehens, als kompromissloser Fragensteller, als Moralist. Umso tiefer fiel er, als bekannt wurde, dass er ukrainische Prostituierte engagiert und mit ihnen Kokain geschnupft hatte.
90 Prozent der Menschen, die in den Medien vorkommen, wollten dies auch â davon ist Patricia Riekel, langjährige Chefredakteurin von Die Aktuelle , Bunte und InStyle , überzeugt, jedoch nur mit dem von ihnen selbst entworfenen Image. Nur wenn dieses Image nicht mehr stimme oder durch irgendwas erschüttert werde, dann möchte der Prominente plötzlich keine Interviews mehr geben und spreche empört von einer Hetzjagd der Medien auf ihn. Denn: »Wer früher â abgesehen vom Adel â prominent werden wollte, musste eine Leistung vorweisen und konnte deshalb in der Regel bei der Berichterstattung auf Respekt bauen. Heute kann jeder durch einen Auftritt im Fernsehen über Nacht berühmt werden â
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