Blamage!
die Ãberschrift lautete »Einst und Jetzt«. Damit wurde das Bild endgültig zur Propagandawaffe gegen die neue Republik. Ebert stellte zwar Strafantrag gegen die presserechtlich Verantwortlichen der Postkarte â es war der erste von etwa 200 Beleidigungs- und Verleumdungsprozessen, die er während seiner Amtszeit führen musste, erreichte aber nur Teilerfolge: Die Badehosen-Anspielungen gingen immer weiter. Ãber die vielen Prozesse vernachlässigte Ebert seine Gesundheit, schlieÃlich kostete ihn eine verschleppte Blinddarmentzündung einige Jahre später das Leben. Das spaÃige Badefoto war der Anfang seines Endes gewesen.
Seit den Zeiten der Weimarer Republik hat sich weltweit eine hochdotierte Branche entwickelt, die vom Bedürfnis lebt, Stars und Prominente in Bade- oder Unterhose zu erwischen. Bei gesellschaftlichen Anlässen, aber auch vor Privatanwesen von Stars und Politikern, lauern die Fotografen nun »wie in einem Rudel Löwen vor einem groÃen Gitter, und hinter dem Gitter liegt viel Fleisch, und alle warten darauf, bis irgendwann dieses Gitter aufgeht«, so beschrieb es einmal der Berliner Pressefotograf Honza Klein. 67 Und je prominenter eine Person ist, desto gröÃer ist der Drang, Spione und Paparazzi auf sie anzusetzen. Besonders drastisch ist dies bei den Windsors: Obwohl die britische Monarchie kaum mehr reale Macht besitzt, gilt ihr doch eine enorme Aufmerksamkeit. Jeder Fehltritt, jede Affäre wird sofort tausendfach abgebildet und weiterverbreitet â jeder Partyscherz, jeder Kuss ist im Visier der Fotografen. Als sich Prinz Harry vor einigen Jahren bei einer Mottoparty zum Thema »Kolonialismus« den Scherz erlaubte, als »Wüstenfuchs« Erwin Rommel aufzukreuzen, titelte die Sun am nächsten Tag in GroÃbuchstaben: »Harry the Nazi« â darunter ein Foto des Prinzen mit Bierglas und Hakenkreuz-Armbinde. Die Windsors waren (mal wieder) gründlich blamiert. Die Queen hingegen hatte zeitlebens bei ihren Auftritten das Ziel, jede Art von Angriffsfläche, jeden Anlass für Blamagen zu vermeiden: »Man muss immerzu lächeln«, hat sie einmal gesagt, sonst glauben die Leute sofort, sie sei wegen irgendetwas verstimmt. Sie muss sich immer interessiert geben, egal, wo sie ist, und beim Small Talk bleibt ihr folglich nur der smallest talk , bei dem alle Themen vermieden werden, die in irgendeiner Weise Fettnäpfchen bereithalten könnten. Andere Mitglieder der königlichen Familie wie Prinz Philip oder Prinz Harry spielen regelrechte Kontrastrollen dazu, auch das erwartet die Ãffentlichkeit.
Für Schauspieler ist das Spiel mit peinlichen Enthüllungen einerseits nützlich, andererseits gefährlich. Als etwa Sibel Kekilli 2004 mit dem Film Gegen die Wand berühmt wurde, druckte die Bild -Zeitung Filmstills von Pornos, in denen Kekilli vor Jahren mitgewirkt hatte â Jugendsünden der aufstrebenden Schauspielerin. Manche Medien leben geradezu von peinlichen Enthüllungen, sie machen Menschen zu Stars und können sie ebenso knallhart an den Pranger stellen. Matthias Döpfner, Vorstandsvorsitzender der Axel Springer AG sagte einmal: »Wer mit der Bild im Aufzug nach oben fährt, fährt auch mit ihr im Aufzug wieder nach unten. Die Entscheidung muss jeder selbst für sich treffen.« In den letzten Jahren und Jahrzehnten gab es eine Fülle von Prominenten, die durch hochpeinliche Verwicklungen von sich reden machten. Greifbar wurden und werden diese Skandale aber erst durch Bildmaterial, das der Ãffentlichkeit zur Verfügung gestellt wird. Es sind Fotos und Filme, die dann um die Welt gehen â manchmal aus dem privaten Kreis zufällig an die Presse gelangt, oft absichtsvoll von interessierter Seite in Auftrag gegeben oder gekauft. Unvergessliche Bilder, die heute fast Kultstatus besitzen, wurden auf diese Weise publik: etwa die Polizeifotos des biederen Strahlemanns Hugh Grant, der 1995 in Los Angeles mit einer Prostituierten erwischt worden war (er hatte die 23-jährige »Divine« Brown in seinen BMW »eingeladen«), der besoffene David Hasselhoff, der auf dem Boden liegend auf äuÃerst unappetitliche Art und Weise einen Burger verputzte und dabei von der eigenen Tochter gefilmt wurde, oder von Whitney Houston, der einstmals umjubelten Soul-Diva: Im Frühjahr 2010 tauchte sie völlig derangiert am Flughafen von Washington, D. C., auf, ungeschminkt,
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