Blankes Entsetzen
bis etwas passiert, das verhindert, dass ich für mich selbst sprechen kann …«
»Wie kannst du auch nur daran denken « , unterbrach Christopher sie wütend, »ich würde dich gewaltsam davon abhalten, jemandem die Geschichte zu erzählen?«
»Nach dem, was du mir angetan hast«, Lizzie zitterte, hatte sich aber noch unter Kontrolle, »nach der Widerwärtigkeit dieser Scharade in der Klinik, ganz zu schweigen davon, was vorher passiert ist, scheint mir nichts mehr unmöglich.«
»Lizzie, bitte …«
»Mir ist klar, dass man mir nicht sofort glauben würde, aber der Inhalt meines Briefs würde mehr als ausreichen, um meinen Anwalt und meine Mutter zu veranlassen, alles zu tun, um dir die Kinder wegzunehmen.«
»Ich glaube nicht, dass du Jack so etwas antun würdest.«
»Es ist das Letzte, was ich will«, räumte Lizzie ein. »Aber wenn du dich jetzt und hier nicht mit diesen Bedingungen einverstanden erklärst, Christopher, habe ich keine andere Wahl.«
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»Was noch?«, fragte er leise.
»Das Gleiche wie vorher. Du nimmst psychiatrische Hilfe in Anspruch.« Sie verspürte das Verlangen, aufzustehen und umherzugehen, hatte aber immer noch leichte Schmerzen und wollte auf keinen Fall Schwäche zeigen.
»Und?«
»Nimmst du Drogen, Christopher?«
Er blinzelte, sagte aber nichts.
»Ich habe den starken Verdacht, dass du in der Nacht, in der du mich vergewaltigt hast, auf irgendeinem Trip warst, und auch diesen Verdacht habe ich in meinem Brief festgehalten.«
»Du machst keine halben Sachen, was, Lizzie?« Seine Wut kehrte zurück.
»Wenn ich Recht habe«, fuhr sie fort, »und wenn du auch andere Patienten behandelt oder gar operiert hast, während du unter dem Einfluss irgendwelcher Substanzen gestanden hast, werde ich dich anzeigen – es sei denn, du schwörst, dich wegen Drogenabhängigkeit in Therapie zu begeben.«
»Ich bin nicht abhängig«, sagte Christopher.
»Hast du begriffen, was ich gerade gesagt habe?«, fragte sie scharf.
»Ja«, sagte er. »Ich werde etwas unternehmen.«
»Schwör es«, sagte sie.
»Ich schwöre es. Beim Leben unserer Kinder.«
»Nein«, stieß sie hervor. »Sag so was nie wieder!«
»Es tut mir Leid.« Christopher nahm seine Brille ab. »Mir tut das alles schrecklich Leid.« Plötzlich hatte er Tränen in den Augen. »Was ich dir in dieser Nacht angetan habe … was ich vorher getan habe … alles. Aber ich bitte dich, sag es den Kindern nicht. Zerstöre nicht ihren Glauben an mich. Bitte, tu das nicht, Lizzie.«
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»Ich habe dir bereits gesagt, dass ich hier bleibe«, sagte sie.
»Danke.« Jetzt flüsterte er.
»Noch eine letzte Sache«, sagte sie.
»Alles, was du willst.«
»Getrennte Schlafzimmer. Hier, in der Londoner Wohnung und überall sonst, wo wir sind. Mach dir keine Gedanken, ich werde den Kindern und Gilly schon irgendwelche Gründe nennen.«
Christopher ließ sich Zeit, dies alles in sich aufzunehmen.
»Kannst du mir je wieder vertrauen?«, fragte er schließlich.
»Nein«, antwortete Lizzie. »Ich glaube nicht.«
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34.
lare war am Donnerstagmorgen allein im Büro, hütete die C Telefone, aktualisierte die Berichte im Computer, brachte Ordnung in Mikes Chaos und nutzte ganz allgemein die Zeit, während er einen langweiligen, aber profitablen Firmenauftrag in Dagenham erledigte, als eines der Telefone klingelte. Joanne Patston war am Apparat.
»O nein«, rief Joanne, als sie hörte, dass Mike Novak nicht im Büro war.
»Schon gut, Joanne«, sagte Clare sanft. »Es macht Ihnen doch nichts aus, wenn ich Sie Joanne nenne?«
»Natürlich nicht.«
»Ich bin Clare, okay?« Sie wartete nicht auf Antwort. Ihr war klar, dass im mühsam ausbalancierten Zeitplan Joannes jede Sekunde zählen konnte. »Hören Sie, Joanne, ich weiß, Sie möchten wahrscheinlich nicht, dass Mike Sie zurückruft. Was wäre Ihnen am liebsten? Sie können ihn entweder jetzt gleich auf dem Handy anrufen – es kann allerdings sein, dass er gerade nicht allein ist –, oder ich sorge dafür, dass er an einem ruhigen Platz ungestört telefonieren kann. Sagen wir, in einer halben Stunde?«
Kurze Pause.
»Ja. In einer halben Stunde.«
Joanne spülte das Frühstücksgeschirr. Als sie eine Tasse auf den Boden fallen ließ, brach sie in Tränen aus, hörte jedoch sofort wieder auf, als Irina ebenfalls zu weinen anfing. Als die Scherben sicher entsorgt waren, setzte sie sich mit Irina aufs Wohnzimmersofa und las ihr aus Der Maulwurf und der kleine Vogel vor. Sie bekam
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