Blankes Entsetzen
stark ihre Intuition war, und auch wenn man ihre Ansichten widerlegte. Bis jetzt. Sie hatte versucht, diese Sache innerlich abzuschließen oder sie zumindest in den hintersten Teil ihres Verstandes zu schieben und sich wieder voll und ganz dem Drogenfall zu widmen, doch Lynne Bolsover und Joanne Patston wollten sich einfach nicht verabschieden. Aber beide Hauptverdächtige waren der schlimmste Abschaum. Helen verstand selbst nicht, warum sie so irritiert war.
So besessen.
Etwas, das Keenan und sie nach ihrem Besuch bei Allbeury kurz angesprochen hatten – und was Keenan damals abgetan hatte –, kreiste jetzt wieder in ihrem Kopf, juckte, pochte, stach sie.
Was, wenn es tatsächlich die Männer waren, diese zwei Dreckskerle von Ehemännern, auf die Allbeury es abgesehen hatte, der selbsternannte Retter unglücklicher Frauen? Was, wenn er die Frauen tötete, sie von ihrem Elend erlöste, um die Männer ins Gefängnis zu bringen?
Patston hat das Kind geschlagen, nicht die Frau.
Retter unglücklicher Frauen und Kinder.
Und vielleicht, führte Helen den Gedanken ein paar Stunden später weiter, während sie abwesend in ihrem Fertiggericht stocherte, vielleicht waren es mehr als zwei miese Ehemänner gewesen? Mehr als zwei unglückliche Frauen?
»Himmel«, sagte sie und schob den Teller von sich.
Die Bolsover-Mordwaffe fiel ihr wieder ein, und dass Kirby sie paranoid genannt hatte, als sie ihm sagte, ihrer Meinung nach stinke dieser Fund.
Auch dieser wilden Spekulation würde niemand Gehör schenken. Weil sie jeder Grundlage entbehrte. Und ohne offiziellen Rückhalt wäre es unglaublich schwer, alte Ehefrauen-Morde auf unsichtbare Verbindungen zu Robin Allbeury hin durchzuarbeiten.
Also konnte sie nur eins tun, sagte sich Helen, wickelte ihr Abendessen in eine alte Tesco-Plastiktüte und zog sich an.
Ihn fragen.
»Darf ich offen sprechen, Mr Allbeury?«
»Das wäre mir sehr lieb.«
Helen hatte ihn vorher angerufen und gesagt, sie müsse noch einmal mit ihm reden. Sie glaubte, ihn am anderen Ende der Leitung seufzen zu hören, doch dann sagte er, sie könne gern noch einmal vorbeikommen. Und Helen hatte sich auf den Weg zum Shad Tower gemacht – mit dem festen Vorsatz, Allbeury nach Kräften zu löchern, um ihn vielleicht aus seiner aufreizend ruhigen Höflichkeit zu locken, um zu seiner anderen Seite vorzudringen.
Falls diese existierte, sagte eine warnende Stimme.
Nun saßen sie auf der Terrasse vor dem Wohnzimmer, die, wie Helen jetzt sah, über die gesamte Länge der Wohnung verlief. Es war warm für Mitte Oktober; Allbeury trug Jeans und ein schwarzes, kurzärmliges Polohemd und trank Mineralwasser.
»Ich verstehe Sie nicht«, sagte sie.
»Müssen Sie das denn?«, fragte er.
»Ich mag es nicht, vor einem Rätsel zu stehen, das ich nicht lösen kann«, sagte Helen. »Und Sie sind mir ein Rätsel.«
»Ich finde alle möglichen Leute rätselhaft«, sagte Allbeury.
»Wenn wir es nicht mit Morden an zwei sehr netten Frauen zu tun hätten«, fuhr sie fort, »wäre es mir auch egal, ob ich aus Ihnen schlau werde oder nicht.«
»Also, was schlagen Sie vor? Wie soll ich Ihnen helfen, aus mir schlau zu werden?« Zum ersten Mal zeigte er einen Hauch von Verärgerung. »Ich habe alle Ihre Fragen – und die von Inspector Keenan – so gut beantwortet wie ich konnte. Sie verdächtigen mich offensichtlich irgendeines Verbrechens, vielleicht sogar im Zusammenhang mit diesen grauenvollen Todesfällen. Ich kann nicht mehr tun, als Ihnen versichern, dass Sie nicht falscher liegen könnten.«
»Sie können sehr viel mehr tun«, sagte Helen. »Sie können mir sagen, was Sie wirklich über Lynne Bolsover, Joanne Patston und all die anderen Frauen denken, denen zu helfen Sie sich angeblich so sehr bemüht haben. Was Sie wirklich empfinden .« Sie sah Allbeury an, der immer noch aufreizend still saß. »Sie könnten mir genau erklären, warum Sie behaupten, dass sie Ihnen am Herzen liegen.«
»Ich habe meine Gründe.«
»Und die sind …?«
»Privat.«
Helen schüttelte den Kopf.
»Es tut mir Leid, wenn ich Sie verärgere«, sagte Allbeury. »Es ist nicht so, als ob es mir Vergnügen bereitet.«
»Was bringt Sie dann dazu, diesen Frauen zu helfen?«
»Einfach das Wissen, dass ich eben das tue, wenn ich erfolgreich bin.«
»Wie messen Sie denn Ihren Erfolg?«, fragte sie.
»Das hängt vom Einzelfall ab.«
Sie ließ sich Zeit. »Und bei Lynne Bolsover – sind Sie der Meinung, dass Sie da einen Erfolg oder
Weitere Kostenlose Bücher