Blankes Entsetzen
würde, traf die beiden Erwachsenen wie ein Schlag.
»Ich hab dich lieb, Schatz«, stieß Sandra hervor und küsste sie.
»Daddy hat dich auch lieb«, sagte Tony mit rauer Stimme.
Für Tonys Geschmack hatten die Polizisten sich im Wohnzimmer ein wenig zu häuslich niedergelassen.
»Constable Dean ist in der Küche und macht Tee«, sagte Inspector Keenan entschuldigend. »Ich hoffe, das geht in Ordnung, Mrs Finch?«
»Ja.« Sandra ließ sich in einen Sessel sinken.
»Ich weiß, Sie haben gesagt, Sie brauchen keinen Arzt, aber …«
»Nein«, unterbrach Sandra ihn. »Es geht mir gut.«
»Tut mir Leid«, sagte Keenan sanft, »aber es geht Ihnen nicht gut.«
»Nein«, sagte sie.
»Ich glaube, du solltest jemanden holen«, sagte Tony. Er fand, dass Sandra noch nie so alt ausgesehen hatte. »Vielleicht brauchst du etwas, damit du schlafen kannst.« Er wusste, dass dies auch für ihn selbst galt, doch was er jetzt wirklich wollte, brauchte, mehr als alles andere, war ein großer Drink, vorzugsweise eine ganze Reihe von Drinks – alles, was ihn vergessen ließ, was er vorhin gesehen hatte.
Denk nicht daran.
Karen Dean, in einem dunkelblauen Kostüm mit weißer Bluse, das lange, dunkle Haar zu einem dicken Zopf geflochten, schaute herein und fragte, ob sie ihnen den Tee bringen sollte. Keenan dankte ihr; dann brachte er mit ihrer Hilfe Sandra aus dem Wohnzimmer in die Küche und kehrte zu Tony zurück.
»Sind Sie einverstanden, Sir, dass wir die Fragen jetzt hinter uns bringen?«, fragte er.
»Natürlich«, sagte Tony. »Ich erzähle Ihnen gern alles, was helfen könnte.«
»Danke.« Keenan blickte auf das Tablett auf dem Tisch. »Vergessen Sie Ihren Tee nicht. Ich bin sicher, Sie können eine Tasse gebrauchen.«
»Es geht mir gut.« Tony wollte nicht nach einem Drink fragen.
»Wenn Sie es sich anders überlegen, sagen Sie einfach Bescheid.«
»Wenn ich es mir anders überlege«, konnte sich Tony nicht verkneifen, »nehme ich mir einen Drink.«
»Ja, sicher«, sagte Keenan.
Als er mit den Fragen begann, gab es trotz seines mitfühlenden Tonfalls keinen Zweifel, welche Intention dahinterstand. Keenan wollte so viel wie möglich über die letzte Begegnung Tonys mit Joanne erfahren, und er fand es offensichtlich seltsam, dass Tony sich nicht an den Namen der Freundin erinnerte, mit der seine Frau sich hatte treffen wollen.
»Ich habe ihren Namen ja nie erfahren«, erklärte Tony ihm zum zweiten Mal. »Sie sagte nur, es sei eine Frau, die sie in der Bibliothek kennen gelernt hatte und die sich auf einen Kaffee mit ihr treffen wollte.«
»Und sie hat diese Frau vorher nie erwähnt?«
»Nein.« Tony zuckte mit den Achseln. »Ich gehöre nicht zu den Ehemännern, die unbedingt jede Kleinigkeit wissen müssen, die ihre Frauen anstellen.«
»Anstellen?«, echote Keenan.
»So meine ich es nicht«, sagte Tony.
»Wie denn?«
»Gar nichts.« Er schüttelte den Kopf. »Ich kann das nicht. Nicht jetzt. Mir ist das alles zu viel.«
»In Ordnung, Sir«, sagte Keenan beruhigend. »Nur noch ein paar letzte Fragen.« Er hielt inne. »Möchten Sie jetzt einen Tee?«
Tony schüttelte den Kopf. »Aber zu etwas Stärkerem würde ich nicht Nein sagen.« Er verzog das Gesicht zu einem verzerrten Grinsen. »Falls es erlaubt ist.«
»Warum nicht«, sagte Keenan. » Sie sind nicht im Dienst.«
»Ich wollte, ich wäre es«, sagte Tony.
Es gab keinen Whiskey in Sandras Schränkchen, aber er entdeckte eine Flasche Brandy. Sein erster Schluck, den er bewusst schnell trank, ließ ein paar Tränen kullern. Tony wischte sie mit einer heftigen Handbewegung fort, leerte das Glas, schenkte sich noch einmal ein und setzte sich wieder.
»In welcher Bibliothek ist Ihre Frau denn immer gewesen?«, fragte Keenan.
»Weiß ich nicht«, sagte Tony. »Eine hier in der Nähe, nehme ich an.« Er nickte in Richtung Küche. »Ihre Mutter weiß es vielleicht.«
Der Inspector schwieg kurz. »Waren Sie gestern Morgen noch zu Hause, als Joanne zu der Verabredung mit ihrer Freundin ging?«
»Nein«, antwortete Tony. »Ich war schon auf der Arbeit.«
»Wie ging es ihr, als Sie sich von ihr verabschiedet haben?«
»Es ging ihr gut.«
»Ihre Schwiegermutter hat Constable Dean erzählt, Sie mussten Ihrer Frau zureden, dass sie geht.«
»Ja.« Tony nickte. »Ich sagte ihr, es würde ihr gut tun.«
»Warum haben Sie das gesagt? Hatte Ihre Frau sich denn nicht wohl gefühlt?«
»Doch, doch. Es ging ihr gut. Das sagte ich doch schon.«
»Aber
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