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Blanks Zufall: Roman

Blanks Zufall: Roman

Titel: Blanks Zufall: Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christian Sidjani
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sich von den anderen und suchten sich einen Platz im angrenzenden Wald. Eine Lichtung, der Mond schien, alles romantisch, wie Marcus damals fand und heute belächelt. Und statt einer Zigarette hatte er nun einen Joint in der Hand.
    Meist beim ersten Mal, manchmal auch später, entscheidet sich, wie anfällig der Konsument für eine Droge ist. Und Marcus war sehr anfällig, lehnte danach nicht ein einziges Mal ab, wenn ihm etwas angeboten wurde, selbst in Schulpausen, die er sowieso hasste; oder auf einem Abtanzball im Congress Centrum Dammtor, wo er mit Mariela auf eine Toilette in der Tiefgarage verschwand, um einen zu drehen. Es war verboten, es war geheimnisvoll und es war der beste Zustand, den er bisher erlebt hatte. Bekifft war Marcus gelöst und fühlte sich zum ersten Mal richtig befreit, jeder seiner Gedanken offenbarte Weisheiten der Menschheit.
    Die Watte im Kopf war schon da; ist immer da, wenn jemand bekifft ist; aber Marcus bemerkte sie nicht. Damals schien der Druck noch erleichternd, weil er einen anderen Druck genommen hatte, seine fast omnipräsente Taubheit. Und als Karsten zu verkaufen begann, konnte dieser Druck sehr regelmäßig und zum Einkaufspreis abgebaut werden.
    Es war also nicht Annas Schuld, dass Marcus täglich kiffte, seit er sie kennenlernte. Aber sie war sein Verstärker, der Auslöser für das düsterste Kapitel eines Kiffers, wo der Druck zu einer Bedrohung wird. Das Verlangen nach einer Traumwelt wurde mit Anna wieder größer, obwohl Marcus damals überzeugt war, noch nie so real gelebt zu haben. Hyperreal nannte er das in den Momenten, die Anna mit ihm in ewiger Vertrautheit verbanden. Und diese Momente waren gleichzeitig von einer unerträglichen Sehnsucht beschwert, dass der Rest der Welt und des Lebens aufhörte zu existieren, damit Jetzt für immer sein konnte.
    Nach ihrem ersten Aufeinandertreffen verbrachten sie die Uni-Zeit gemeinsam, in Seminaren, Pausen, bei Tutorien und auch in der Zeit danach, zum Kaffee trinken in der Stadt. Marcus hielt stets neben sich einen Platz für Anna frei und während der Dozent seine über die Jahre erprobten Monologe hielt, schrieben sie sich kleine Nachrichten in ihre Notizhefte. Unwichtiges Zeug, das aber ihre Nähe festigte, meist über das Aussehen und Verhalten all der anderen im Raum. Lästern verband sie auch auf dem Campus, wenn sie vorbei gehenden Männern und Frauen Noten gaben von eins bis zehn, sich Geschichten zu ihrem weiteren Tagesverlauf ausdachten und nicht selten Blicke auf sich zogen, weil ihr Lachen gehässig klang. Sie waren in ihrer, einer kleinen Welt inmitten einer anderen, die zusehends vernebelte.
    Ein Tag nach dem Taschen-Vorfall führte ihr Gespräch zum Kiffen, weil Anna sich nach einem Joint sehnte, wie sie es nannte, der sie über die öde Zeit der Vorlesung hinweg tragen sollte. So verguckt wie Marcus war ('Liebe' sagte er später, aber dazu gleich mehr), erzählte er von einem guten Freund, der Dope verkaufte. Vertickte, sagte er, eines dieser Worte, die die geheime Elite der Kiffer von den anderen unterschied. Wusstest du nicht, wovon die Rede war, warst du entweder neu dabei oder kein Kiffer. Besonders aufpassen müssen ältere Kiffer, denn die Sprache der Eingeweihten ändert sich schnell, und man endet nicht selten in anachronistischer Lächerlichkeit.
    Marcus kaufte seitdem für Anna ein Mal die Woche. Das begann vor fast zwei Semestern, um genau zu sein, vor zehn Monaten. Bis zu ihrem ersten privaten Treffen außerhalb der Uni vergingen allerdings noch mehrere Wochen, Anna und Marcus kifften meist nach der letzten Vorlesung an der Innenalster gegenüber vom Jungfernstieg, ein Modegetränk aus einem der unzähligen Coffee-Shops in den Händen und Gespräche über das, was bisher ihr Leben war, und wie die Welt gerettet werden könnte. Das Übliche.
    Anna erwähnte bis zu ihrem Treffen nicht, dass sie einen Freund hatte, vielleicht weil für sie feststand, dass Marcus nicht in Frage kam. Das glaubte er natürlich nicht, seine Spinnereien hatten ihn nicht verlassen. Vielmehr war er überzeugt, dass Anna ihren Freund verheimlicht hatte, um Marcus nicht abzuschrecken. Und erst in seiner Ein-Zimmer-Wohnung schließlich konnte er nicht mehr fliehen, als sie nebeneinander auf dem Sofa lagen und die zweiteilige Verfilmung über Ché Guevaras Leben anschauten.
    „Ich hab' übrigens einen Freund“, sagte Anna beiläufig, bevor sie Erdnussflips in ihren Mund stopfte. Marcus schaute weiter auf den

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