Blanks Zufall: Roman
Computerbildschirm, einen Fernseher hatte er sich nie angeschafft. „Und er betrügt mich“, fuhr sie unter Knabbern fort. Jetzt schaute er zu ihr.
„Das scheint dir ja nichts auszumachen.“
„Ich würde ihn nie betrügen, weißt du. Ich mein, ihm ins Gesicht lügen, als ob nichts wär', und dabei hatte ich grad Sex mit jemand anderen. Ich könnte nicht mit dir schlafen, Blank, auch wenn ich will.“
Marcus fühlte diesen Impuls, der seine Kehle hinab durch den Bauch schoss, in seinen Unterleib. Oft hatte er sich vorgestellt und gewünscht, Anna nackt zu sehen, sie zu berühren, ihren Körper, der genauso blass war wie ihr Gesicht, ihre Brüste und den kleinen Hintern zu drücken.
„Dann bist du cool und er ist das Arschloch“, sagte Marcus.
„Vielleicht. Ja, doch, ganz bestimmt, er ist ein Arschloch. Aber ich liebe ihn, glaube ich.“
„Wie lange bist du mit ihm zusammen?“
„Drei Monate.“
Marcus lachte. Anna schlug ihm sachte gegen die Schulter. Das einzige Mal für lange Zeit, nicht zu vergleichen mit den Schlägen, die sie später austeilen sollte.
„Ey“, sagte sie und lachte auch, „ich kann ihn doch wohl lieben, auch wenn ich ihn erst seit drei Monaten kenne.“
„Wie? Du kennst ihn solange du mit ihm zusammen bist?“
„Nein, wir haben erst am dritten Abend gebumst. Er ist Russe und heißt Anatoly.“
„Als ob das was erklären würde.“
„Und Schauspieler.“
„Na, das erklärt alles, Anna. Wo spielt er denn mit, dein Schauspieler, in Pornos? Heißt er deswegen Anal Tony?“
Sie prustete los und spukte dabei halb zerkaute Erdnussflips auf Marcus. Jetzt lachte er und bewarf sie mit ihren klebrigen Resten. Beide gackerten, bis die Augen feucht von Tränen waren.
„Jetzt mal ehrlich“, sagte Marcus später, „So sehr kannst du ihn nicht lieben, wenn du darüber lachst, oder?“
„Nein“, antwortete sie, „stimmt wohl. Aber es verletzt meinen Stolz, weißt du.“ Und schenkte ihm einen Blick, den er nicht deuten konnte. Abwartend, fast lauernd lag sie da, ihr Haar fiel über die Lehne nach hinten, und ihre linke Hand streifte, nur kurz, die seine.
Nach dem Videoabend schliefen sie nebeneinander in seinem Bett, es passierte nicht viel, irgendwann im Schlaf zog sie seinen rechten Arm über sich und kuschelte ihren Kopf auf seine Hand. Marcus schlief nicht, und wenn er seine Augen schloss, roch er ihre Haare und bekam einen Ständer, weil sein Ellenbogen auf ihrer rechten Brust lag.
Irgendwann drehte sie ihren Kopf und sein Arm wanderte so natürlich, als ob er dies schon oft getan hatte, weiter hinunter und schlang sich um ihren Bauch. Ihr kaum wahrnehmbares Atmen versetzte ihn, für nur wenige Stunden, in einen schlafähnlichen Zustand ohne Träume.
Sie hatten noch weitere solcher Abende, ihre kleinen Gesten des Näherkommens allerdings intensivierten sich und es wurde selbstverständlich, dass sie kuschelten, bevor sie einschliefen. Während Marcus' Hände über ihren Rücken streichelten, den kurzen Stoffstreifen des BHs unter dem Shirt wie beiläufig streiften, fühlte er sich endlich nah an jemand anderen. Und die Watte vermied jeden objektiven Gedanken, jeden Zweifel, dass es anders war. Marcus fühlte sich mit ihr wach trotz des Kiffens, und nicht mehr taub.
Ihr vertrauter werdender Geruch, die Gespräche, bei denen ihre Gesichter nur wenige Zentimeter auseinander waren, und jeder den Atem des anderen auf seiner Haut spürte. Das viele Lachen, ihre Brust an seine gedrückt, Atmen im gleichen Takt. Der Wunsch, dass dieser eine Moment nicht vergehen möge, obwohl er schon vergangen war. Das ist Liebe, Anna, nur du merkst es noch nicht.
Sie wartete lange, um ihm mitzuteilen, dass Schluss mit Anatoly war, aber als er sie fragte, wie lange schon, lag es Wochen zurück. Anna bestimmte damit den Moment, wann sie miteinander schliefen.
Als Marcus später einmal mit Annas Freundin Kerstin sprach und zufällig nach dem russischen Schauspieler fragte, ob sie den auch kannte, schüttelte sie nur den Kopf.
„Anatoly wer? Da hat Anna dir eine Geschichte erzählt, Blank. Das macht sie gerne mal.“
Dabei gab es so viele Geschichten, die Anna erzählte, mit solcher Hingabe, dass sie nur echt sein konnten, ja, mussten, oder nicht? Von ihrem kleinen Bruder, den sie fast alleine aufzog, weil ihre Mutter immer arbeiten war und abends mit Freundinnen „auf den Schwutz“ ging. Wie Anna ihrer Mutter davon berichtete, als Felix sein erstes Wort sprach („Anna“) und
Weitere Kostenlose Bücher