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Blasmusikpop oder Wie die Wissenschaft in die Berge kam: Roman (German Edition)

Blasmusikpop oder Wie die Wissenschaft in die Berge kam: Roman (German Edition)

Titel: Blasmusikpop oder Wie die Wissenschaft in die Berge kam: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Vea Kaiser
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aus den Wolken gefallen und als hätte ihm der Schöpfer, missmutig über das misslungene Machwerk, einen Satz Watschen mit auf den Weg gegeben. Er kümmerte sich mit viel Aufhebens um jene Bereiche des Dorfes, für die sich sonst kaum jemand interessierte, und nahm diese Aufgabe so ernst, dass er eine orange Signallampe auf dem Dach seines Geländewagens montiert hatte. Die Sirene war ihm auf Antrag der Mütterrunde per Gemeinderatsbeschluss untersagt worden, doch seine Signallampe ließ er sich nicht verbieten. Für Schuarl war seit Beginn seiner Gemeindearbeiterlehre ein jeder Einsatz ein Notfall. Egal ob der Bach über die Ufer trat oder ein Strauch ein Blatt verlor, Schuarl war mit Pestizidspritzen, Motorsensen, Laubsaugern, Gummistiefeln und Warnlicht zur Stelle, am liebsten natürlich, wenn es um den Fußballverein ging. Hier zu helfen, war ihm die größte Ehre. Schuarl war auch verantwortlich für die Gleichheit von Verpflegungsgutscheinen und Stimmzetteln. Er hatte sie aus alten Theaterplakaten ausgeschnitten, die eine vollkommen missglückte Aufführung der Laienspielgruppe angekündigt hatten. Diese waren hellorange gewesen – für Schuarl ein guter Grund, alle Zettel gleichfarbig zu belassen, denn die drei wichtigsten Dinge seines Lebens waren orange: die Signallampe auf dem Autodach, der Laubstaubsauger und seine reflektierende Warnweste.
    Peppi, der nochmals aufgesprungen war, kam zu Beginn der vom Tonband abgespielten Hymne Oh du mein St.   Peter wieder. Noch blecherner als bei Normalbetrieb klang die Blasmusik durch die Tonanlage des Fußballklubhauses. Peppi hatte zwei Krügerl Bier mitgebracht und drückte Johannes eines in die Hand.
    »Das wäre aber nicht nötig gewesen.« Peppi winkte ab: »Weißt eh, des is a halboffizielle Veranstaltung, da darf i als Sportler maximal ans trinkn. Und was tu i denn mit de vielen Coupons?«
    Johannes öffnete den Mund, um Peppi von seiner List zu erzählen, schloss ihn dann doch wieder und prostete Peppi zu. Johannes beabsichtigte nämlich, all seine Coupons als Stimmzettel zu verwenden, da er es für notwendiger erachtete, seiner vernünftigen Stimme siebenfaches Gewicht zu verleihen, als sich den Wanst mit Fett und Alkohol vollzuschlagen. Die schiefen und vom Tonband verzerrten hohen Töne des Refrains schmerzten in Mark und Bein. Peppi bekam nichts mit, er starrte gedankenverloren Maria an, die sich mit einer Vereinszeitung Luft zufächelte, während Günther immer noch nicht zu sehen war. Nachdem die letzten Klänge der Hymne im Filz verschwunden waren, hievte der Bürgermeister seinen kugelrunden Körper aus dem Vorstandssessel und postierte sich räuspernd vor dem Rednerpult. Er schien erregt, besorgt, entnervt – Johannes hatte beim Ankommen bemerkt, wie der Vorstand auf der VIP – Tribüne gestritten hatte, trotzdem begrüßte er die versammelte Menge mit der Lautstärke eines aus dem Wasser auftauchenden Hippopotamus. Lange konnte er nicht reden und seine Verdienste preisen, denn Peter Parseier, Johannes’ ehemaliger Fußballtrainer, unterbrach seine Rede mit Zwischenrufen und Gegendarstellungen. Es waren nie ganze Sätze, die er rief, sondern kleine Pointen, Spitzen, die er während der langen Atempausen des schwer übergewichtigen Bürgermeisters in den Saal schmetterte. Als Schuarl immer nervöser auf die Uhr zeigte und den Bürgermeister dazu bewegen wollte, endlich die Pause anzuberaumen, und auch aus den Reihen der Versammelten grummelnde Mägen über leeren Biergläsern vernommen wurden, beugte sich Peppi zu Johannes:
    »Du, i glaub, des mit da Maria schaff i nachher selba. Der Günther is net da, oiso danke, owa i hab scho an Plan.«
    Johannes zuckte die Schultern. Obwohl er nicht wusste, was er dann in der Pause machen oder mit wem er sich unterhalten sollte, war er heilfroh, dem Katz-und-Maus-Spiel mit Pflicker entkommen zu sein. Kurz überlegte er, nach Hause zu gehen, doch zu Hause war eine kranke Ilse und würde ihn wahrscheinlich nerven, da sie nichts mit ihrem Krankenstand anzufangen wusste. Außerdem war er neugierig geworden, wie sich diese Streitereien auflösen würden. Er ahnte schon, dass der Vorstand neu gewählt werden würde, nur wie, war nicht ersichtlich. Und auch wenn er Fußball für banal erachtete, befand er es als seine Aufgabe als Historiograf, selbst solche Dinge festzuhalten. Auch Herodot hatte sein Leben lang versucht, das Menschliche zu erfassen – selbst wenn dies bedeutete, scheinbar Gehaltloses

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