Blasmusikpop oder Wie die Wissenschaft in die Berge kam: Roman (German Edition)
hatten, postierte sich der Trainer Sepp Gippel wutschnaubend an der Wand gegenüber, verschränkte die Arme und sah Peppi mit einem Blick an, der hundert Strafliegestützen androhte. Sepp Gippel legte als Trainer größten Wert auf Disziplin, denn er hatte in seiner aktiven Karriere als Spieler immer dann am besten gespielt, wenn er einen strengen und fordernden Trainer gehabt hatte. Da Peppi nicht nur ein auszubildendes Fußballtalent war, sondern auch sein Sohn, war er bei ihm besonders streng und ließ sich während des Trainings siezen. Nichtsdestotrotz klimperte Peppi jetzt mit dem Schlüssel zu den Umkleidekabinen gegen ein Wasserglas. Johannes rückte zur Seite und blickte gespannt an ihm hoch, während ihn ein nervöses Gefühl beschlich, das nichts Gutes verhieß.
Der Sitzungssaal war voller gespannter Gesichter. Alle hingen an Peppis Lippen. Der Trainer formte mit seinem Mund 200-Strafliegestützen-wenn-du-nicht-sofort-da-runterkommst- Bewegungen, Peppi spürte schon den Muskelkater, doch dann blickte er in Marias Augen und dachte an die kleinen Fußballer unter ihrem Herzen. Es war Zeit, sich um deren Zukunft zu kümmern, beschloss er.
»Liabe Fuaßballfans, liabe Fuaßballfaninnen!«
Im Raum wurde es augenblicklich still.
»Hier auf dem Tisch, do steht ka Politika, sondern a afocher Fuaßballer, der was sein Verein liebt. Ihr könntets sagen, der auf dem Tisch, der is jo nur a Kicka, was weiß der scho vo wichtige Entscheidungen, owa gebts mir de Chance zum Redn, lassts mi euch sagn, was a afocher Fuaßballer denkt, denn i sprech mit am Herzen in da Form vom St.-Petri-Fuaßball!«
Peppi atmete tief und sprach flüssig, als hätte er diese Rede seit Monaten einstudiert.
»Guat hat’s da Fuaßballheilige net mit uns g’meint in der letzten Saison. Mir ham a großes Problem mit’m Geld und nu dazu net de beste Leistung da’bracht, do wieso? Woran liegt des, dass a Verein, der was so vül Potenzial hat, mit so vül Problemen kämpfen muss?«
Die St. Petrianer fixierten Peppis glühende Augen, beobachteten interessiert seine Gesten – wäre nebenan das Bürgerzentrum explodiert, hätte es keiner mitbekommen.
»Jeder gibt dem andern de Schuld, owa i sag euch was: Wir alle sand schuld. Wir ham nämli net zamg’halten. Der Fuaßballheilige is a Teamspieler! Der belohnt nur de, de was a zamhalten. Drum glaubts mir: Wir müssen wieder zamstehn, zamhalten, zueinanderstehn! Nur wenn wir wieder a starke G’meinschaft werdn, kommen wir auf’d Erfolgsstraßen z’ruck! Owa wie kömma des schaffen? Wir müssen unsre Aufstellung ändern! Drum hörts ma zua, was i euch für a Taktik für de Vorstandswahl vorschlag: Da Präsident is a Amt, des was über de Dingen stehn muss. Daher: Wähl ma do den Herrn Pfarrer! Der kann mit seinem Draht nach oben beim Fuaßballheiligen vorsprechn! Der Kassier wiederum muss zuverlässig, genau und verantwortungsvoll mit’m Geld umgehn. A jeder muss eam vertraun können, deshalb schlag i de Frau Moni aus’m Café Moni vor! Guat, und dann da Schriftführer. Wir redn ja liaber, als was wir schreibn, do wir brauchn an Schriftführer, der si um’s Organisatorische kümmert. Einen, der was intelligent is, guat schreiben kann, vül g’lesen hat und engagiert is. Lassts uns daher den Johannes A. Irrwein zum Schriftführer wählen! Und der Johannes wird a Briefe an höhere Vereine schreiben, ob die net nach St. Peter kommen wollen für a Freundschaftsspiel zur Einweihung der Flutlichtanlage. De Frau Moni und unsere starken Stützen der Mütterrunde werden a ordentliches Buffet organisieren, die Blasmusik sorgt für a leiwande Unterhaltung, und wir machn aus dem Spiel a scheens Festl, des was g’scheit Geld einibringt und de Kassa saniert!«
Einen Moment blieb alles still. Die Versammlung musterte den Stürmerstar, bis irgendwer in die Hände klatschte, woraufhin jemand anderes in den Beifall einstimmte und der Schneeballeffekt im Handumdrehen tosenden Applaus bewirkte. Allen erschien es eine gute Idee, mal wieder ein großes Fußballfest zu organisieren, um die Kassen zu füllen, und vor allem die Vorstandsposten mit unparteiischen Personen zu besetzen. Marias Schwangerschaftshormone trieben ihr Tränen in die Augen, der Saal tobte vor Begeisterung, Peppi glühte vor Stolz, nur Johannes saß regungslos auf seinem Platz und rang nach Luft.
Taschen wurden durchkramt, Stimmzettel hervorgefischt, und überall tönte das Krakeln von Kugelschreibern auf Couponpapier. Ein
Weitere Kostenlose Bücher