Blasmusikpop oder Wie die Wissenschaft in die Berge kam: Roman (German Edition)
darüberliegende Frauenzeitschrift zur Seite und war mehr als erstaunt zu sehen, dass das Licht von ihrem Computer kam. Johannes fragte sich, wie sie im Schlafzimmer etwas im Internet erledigen wollte, wenn ihr Computer hier war. Sollte er ihn ihr hineinbringen? Immerhin hatte sie ihn aufgefordert. Es kam ihm unverschämt vor, ihr einfach so ins Schlafzimmer zu folgen. Johannes wollte nicht, dass sie ihn für einen dieser aufdringlichen Kerle hielt, die einem Mädchen keine Privatsphäre gaben.
Johannes beschloss, nun doch hineinzugehen. Er legte die Hand an die Schiebevorrichtung, wandte den Kopf nochmals um, blickte durch die geöffnete Balkontür ins Freie, und da, mitten am Nachthimmel, unbewegt, als wäre er mit Kleber ins Schwarze geheftet, entdeckte Johannes einen roten Stern. Johannes blinzelte. Vier Augenaufschläge lang bewegte sich der rote Stern keinen Millimeter, bevor er in einem verlangsamten Sinkflug stürzte und kurz über den Wipfeln des Westhangwaldes erlosch. Johannes trat auf den Balkon. Die Quellwolken des Nachmittags bedeckten das Sternenfirmament. Johannes hielt Ausschau nach einem zweiten roten Licht, er konnte sich nicht erklären, was er gesehen hatte. Er lehnte sich an die Wand, die bald darauf seine Körperwärme annahm, und erinnerte sich, wie Simona erzählt hatte, dass das Haus aus Isolationsgründen aus Styropor gebaut worden sei. Weiße Quader, die man wie Legosteine aufeinanderstecken konnte und die schließlich mit Beton ausgegossen worden waren, was alle St. Petrianer Männer von der Lichtung aus mit Feldstechern beobachtet hatten. Auch beim ersten Sturm waren die St. Petrianer auf der Lichtung gestanden, sie hatten fest damit gerechnet, wenn nicht sogar gehofft, das Haus würde mitsamt der zugereisten Familie davonfliegen.
Der Westhang von St. Peter am Anger, der den Sporzer Alpen zugewandt in den Talschluss blickte, war bis auf das Haus der Familie Nowak unbebaut. Johannes A. Irrwein und Simona Nowak glaubten zwar, an diesem Abend die einzigen Menschen am Westhang zu sein, doch sie lagen falsch. Unweit des Hauses der Nowaks stand auf einer Waldlichtung ein weißer Jeep, in dem vier alte Jäger saßen.
»Es oiden Säck habts olle miteinand Alzheimer!«, schrie Opa Rettenstein vom Fahrersitz seine Jagdgefährten an.
»Geh, du redst immer so groß vo de vülen Eber, was’d g’schossen hast, und hiazn tuast so, wia wenn du net genauso auf de G’wehr vergessn hätt’st!«, brüllte Opa Ebersberger zurück.
»Geh, wos wüllstn du Depperter vo mir? Lass da liaber dei Knie machn, des quietscht wia des Spülzeug vo meim Hund!« Vom Rücksitz aus warf Opa Rossbrand zum Fahrersitz:
»Herst, du hast do kan Hund, du hast a Hausschwein!«, woraufhin Opa Rettenstein murmelte:
»Und dei Frau is so fett wia drei Hausschwein!« Opa Rossbrand schlug mit dem Stock gegen die Autotür.
»Oida, entschuldig di auf da Stell, sonst schlag i da deine Dritten aus!« Opa Hochschwab drehte sich vom Beifahrersitz um.
»Geh, du treffast jo net amoi, wenn i da meine Dritten im Glasl servieren tät!«
»Oida, i reiß da glei dei künstliche Hüften aus, wennst so deppert bist!«
Opa Rettenstein war im Gesicht noch roter angelaufen als Maria, nachdem er ihr von der Treibjagd erzählt hatte. Opa Hochschwab, der auf dem Beifahrersitz saß, zitterte vor Wut, Opa Ebersberger dahinter keuchte, und Opa Rossbrand war dermaßen erzürnt, dass sich sein weißer Bart kräuselte. Den alten Herren war nicht nur mitten im unbewohnten Westwald das Benzin ausgegangen, auch die Treibjagd war komplett schiefgegangen. Dabei hatte alles so gut begonnen. Pünktlich zur Dämmerung waren alle zum Waidmannsschluck im Wirtshaus zusammengekommen, die Treiber waren in den Südwald ausgerückt, um die Wildschweine nach Westen zu jagen, die vier alten Herren, denen die Würde zukam, das heranlaufende Wild zu erschießen, waren rechtzeitig auf jener Lichtung gewesen, wo die Wildschweine auf dem Weg in die Sporzer Wälder vorbeimussten, da der Wald auf dieser Höhe sonst zu steil und zu dicht war. Nur hatten sie, als die Wildschweine vorbeikamen, festgestellt, dass die Gewehre noch immer im Kofferraum lagen, wo sie sie während der Beschattung des Gippel’schen Hauses deponiert hatten. Während ihrer Mission hatten sie intensiv über Peppi Gippel diskutiert und an nichts anderes gedacht, da die Situation mit Peppi unglaublich kompliziert war. Einerseits war er ihnen ein Dorn im Auge, denn wenn er mit Maria
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