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Blasmusikpop oder Wie die Wissenschaft in die Berge kam: Roman (German Edition)

Blasmusikpop oder Wie die Wissenschaft in die Berge kam: Roman (German Edition)

Titel: Blasmusikpop oder Wie die Wissenschaft in die Berge kam: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Vea Kaiser
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musste. Es gab Tage, da hatte Opa Rettenstein das ungeliebte Gefühl, seine Familie wäre das größte Hindernis auf dem Weg zur absoluten Dorfherrschaft. Was Günther betraf, hatte er diesbezüglich sicher recht – denn Günther war heilfroh, dass Maria wieder bei Peppi war. Anfangs hatte ihm die Idee gut gefallen, der Freund des schönsten Mädchens des Dorfes zu sein, und er hatte auch mit allen Mitteln versucht, sie an sich zu binden, aber nachdem Günther gemerkt hatte, welche Verpflichtungen es mit sich brachte, mit einer Rettenstein zusammen zu sein, war ihm der Spaß vergangen, und er hatte beschlossen, dass ihm Maria diesen Aufwand nicht wert war. Günther hatte in der Fleischerei der Eltern Fleischhacker gelernt. Zusätzlich zu seinem normalen Beruf wurde jedoch von ihm, als Erben des Hofes, erwartet, um fünf Uhr aufzustehen und bei der Stallarbeit zu helfen. Daneben musste er Heuarbeiten erledigen, ständig irgendetwas reparieren, für den Traktorführerschein lernen und, was ihm als Fleischhacker am schwersten fiel, nett zu den Tieren sein. Opa Rettenstein stand an Günthers Bett und wurde blau vor Ärger. Auch auf Marias Eltern, seinen Sohn Toni und seine Schwiegertochter Marianne, war kein Verlass – die beiden hatten ihm nämlich bereits am Vorabend ihre Hilfe verwehrt und gemeint, sie wollten, dass Maria glücklich wäre. Also telefonierte Opa Rettenstein die andern alten Herren aus dem Bett, holte einen nach dem andern in seinem weißen Jeep ab, der ihr bevorzugtes Fortbewegungsmittel war, da man aufgrund seiner Höhe selbst mit lädierten Hüften bequem ein- und aussteigen konnte, und so fuhr die Quadriga zum Haus der Gippels, um zu überprüfen, was dort vor sich ging.
    Liebe zivilisierte Freunde! Wie ich mitbekommen habe, ist ein weiterer Grund für die archaische Weltsicht der Bergbarbaren ihre Form der Regierung, und zwar herrscht über sie eine γερουσία – wie im alten Sparta. Ein Ältestenrat, der die überkommenen Wertvorstellungen durchzusetzen versucht. Alle Zügel der Macht laufen in den Händen der vier zusammen; Opa Hochschwab kontrolliert den Handel und die Finanzen, Opa Ebersberger die Politik und den Sport, Opa Rossbrand das Schulwesen wie alle kulturellen Belange und Opa Rettenstein alle ruralen Angelegenheiten. Vor ihnen waren ihre Väter in dieser Verantwortung, vor diesen die Großväter und vor diesen deren Urgroßväter. Bedenket, zivilisierte Freunde, es endet immer im Unheil, wenn ein Rat aus ausschließlich alten Männern Verantwortung in die Hand bekommt: Aus der Antike lernten wir, Sparta war ein schreckliches Projekt! In der neueren Geschichte zeigt uns der Vatikan, wie weltfremd eine Gerousia ist, und in der Gegenwart ist das beste Beispiel jene paramilitärische Regierung namens Fédération Internationale de Football Association, kurz FIFA, die Zeugnis für die Korruption und Senilität alter Männer ist, die den Anschluß an die Realität aufgrund des Fehlens von weitsichtigen jungen Männern und Frauen in ihren Reihen verloren haben.
    »Und mir is wurscht, vo wem de Butzerl sand!«, fluchte Opa Rettenstein, während sie auf der gegenüberliegenden Straße im Auto saßen, das Haus der beiden Gippel-Männer beobachteten und die letzten Rehe die Gärten querten, um in den Wald zurückzulaufen.
    »Hauptsach da Günther überschreibt da Maria seine Adlitzbeerenhänge, owa da Gippel, der hat jo kan Hektar Bodn!«
    Für den Abend war die Treibjagd anberaumt. Die vier Großväter hatten sich bereits ihre Jagdkleidung angezogen, die Gewehre im Kofferraum verstaut und sechs Proviantkörbe dabei, da sie bereit waren, den ganzen Tag zu warten. Doch Maria und Peppi ließen sich nicht blicken. Peppi schlich durch den Hinterausgang und die Nachbarsgärten zum Training, Maria versteckte sich im gekühlten Fitnessraum der Gippels vor der Hitze und ihrer Familie. Dort gab es nicht nur St.   Peters einzigen Flachbildschirm, sondern auch einen Sitzball, der ihren Rücken entlastete. Abwechselnd hielten die vier Alten kurze Schläfchen, während mindestens ein Feldstecher beständig auf das Gippel’sche Haus gerichtet blieb. Irgendwann ließ Sepp Gippel kopfschüttelnd die Jalousien herunter, und als es dämmerte, fuhr der Ältestenrat zur Treibjagd.
    Vor der Haustür der Nowaks staunte währenddessen Johannes. Simona duftete nach betörend-schweren Parfumnoten, gar nicht fruchtig mandarin-orchideenhaft wie sonst. Die leichten Wellen, die ihre Haare so hatten aussehen

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