Blasmusikpop oder Wie die Wissenschaft in die Berge kam: Roman (German Edition)
Teeform herstellte, damit sie wenigstens einige Abende im Monat Gelegenheit zur Ehepflege hatten. Johannes verstand schlagartig, warum die Mütter in diesem Dorf so glücklich schienen und alle Ehen hielten. Ehrfurchtsvoll beobachtete er, mit welcher Kunstfertigkeit Kekse bestäubt und Tortenboden beträufelt wurden, und mit welcher aufgesetzten Freundlichkeit diese schließlich den vier alten Herren auf der Kirchenstiege serviert wurden, die sich gierig freuten.
Und während Johannes sein Bild der St.-Petri-Frauen überdachte und die vier größten Gefahren für das Gelingen des Tages in ein weit entferntes Traumland wegdämmerten, lief Robert Rossbrand aus dem Gemeindeamt, wo er sein Stand-up-Comedy-Programm eingeübt hatte, das er am Abend aufführen wollte. Robert plärrte seine Freunde zusammen und schickte Christoph Ötsch nach dessen großem Geländewagen mit Kuhanhänger.
»Wir kümmern uns um de Wegweiser!«, schrie Robert und sprang mit anderen Dorfburschen, von denen einige bereits ihre Fußballschuhe und Dresse anhatten, auf den Anhänger.
Aus der Ferne hörte Johannes noch, wie sie die von Schuarl bereits errichtete Straßensperre niederfuhren und dabei laut grölten. Er verspürte den Impuls, ein Kreuzzeichen zu schlagen, ließ es aber mit Blick auf die Kirche bleiben. Der Pfarrer musterte ihn grimmig vom Kirchturm aus und hatte seine Exorzismus-Stola umgelegt.
Niemand wusste, was die Dorfburschen im Tal angestellt hatten, und sie wollten es auch niemandem verraten, als sie zwei Stunden später grinsend zurückkamen. Kurz darauf waren jedoch fremde Autokennzeichen im Dorf zu sehen, zwei Busse mit Kennzeichen HH, und Schuarls Lehrbub hatte sofort allerhand zu tun, diese so einzuweisen, dass es auf der Wiese, die natürlich über keinerlei Parkflächenmarkierung verfügte, nicht zum Chaos kam. Etwas unschlüssig kamen die Dorfbewohner auf dem Dorfplatz zusammen und beobachteten die Neuankömmlinge, unsicher, ob man diese nun einzeln begrüßen oder am besten gar nicht beachten solle. Anders als man erwartet hatte, sahen die Männer, Frauen und Kinder, die aus den Autos stiegen, sich umblickten und dann den Pfeilen Zum Fußballplatz folgten, kaum anders aus als die eigenen Nachbarn. Nur die Varianten ihrer Sprache unterschieden sich sehr von der eigenen. Johannes wuselte durch die planlos herumstehenden St. Petrianer und flüsterte ihnen zu, sie sollten nicht so skeptisch, sondern freundlich blicken und vor allem die Neuankömmlinge nicht wie Zootiere betrachten.
Liebe zivilisierte Freunde! Laßt Euch eine Kuriosität erzählen, die mich selbst sehr verwunderte: So sehr ich die Bergbarbaren auch für ein etwas rückständiges Volk erachte, gelegentlich kann ich doch nicht umhin, meinen Hut vor ihrem Einfallsreichtum zu ziehen. Es trug sich nämlich zu, daß jegliche Beschilderung nach St. Peter verschwunden war. Die Dorfjugend wirkte dem entgegen, indem sie alle McDonald’s-Schilder, die entlang der Ausfahrt auf jenen Fastfoodbetrieb in Matrein, der nächstgrößeren Stadt nach Lenk, wiesen, entwendeten und diese Schilder so neu aufstellten, daß sie den Weg nach St. Peter am Anger wiesen. Bei der Autobahnabfahrt brachten sie zudem ein großes Banner an: »Nach St. Peter: McDonald’s-Schildern folgen«. Wie ich mit eigenen Augen gesehen habe, kamen die Fremden in Scharen. Nebst den ohnehin erwarteten Fußballbegeisterten aus allen Himmelsrichtungen kamen viele Hungrige, die dann, als sie bemerkt hatten, daß es gar keinen McDonald’s gab, mit dem McPeter, einer Erfindung der Mütterrunde, Vorlieb nahmen, die dazu servierten selbst gemachten Pommes frites genossen und dem Geschmackserlebnis selbstgemachter Mayonnaise huldigten. Bisher dachte ich, St. Peter am Anger läge so versteckt inmitten der 4000er Sporzer Alpen, daß dieser Ort unmöglich zu finden sei – doch vielleicht fehlte den Bergbarbaren bislang just der zündende Anreiz, sich finden zu lassen.
Und so füllte sich also das frisch umgebaute und vom Pfarrer in der Vorwoche getaufte Angerbergstadion mit Besuchern, so wurden die McPeters konsumiert, und auch der Wirt erhielt viel Lob für sein selbst gebrautes Bier, wenngleich er nicht alle Menschen verstand, die mit ihm sprachen, und umgekehrt. Frau Moni hatte allerhand zu tun, ihre verängstigte Malteserhündin vor fremden Händen zu beschützen, die sie streicheln wollten. Die St. Petrianer hatten Puppi II nie viel Beachtung geschenkt, sondern höchstens gewitzelt,
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