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Blasmusikpop oder Wie die Wissenschaft in die Berge kam: Roman (German Edition)

Blasmusikpop oder Wie die Wissenschaft in die Berge kam: Roman (German Edition)

Titel: Blasmusikpop oder Wie die Wissenschaft in die Berge kam: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Vea Kaiser
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erreicht, überkam ihn die Müdigkeit. Johannes verlor ständig die Zeile, bis er über seiner Maturavorbereitung einschlief, den Kopf auf einer Zeittabelle zum Persischen Krieg gebettet.
    Noch bevor der erste Hahn krähte, sprang Schuarl in seinen Geländewagen und donnerte die Talstraße bis zum Wetterblick hinab. Der Wetterblick war ein Felsvorsprung auf der Hälfte des Weges zwischen Tal und Dorf, von dem aus man das gesamte Tal überblicken konnte. Früher hatten die Bauern von diesem Platz aus Wetterprognosen getätigt. Als Schuarl seinen Geländewagen dort parkte, interessierte er sich jedoch nicht für das Wetter, sondern kramte einen Feldstecher aus dem überquellenden Handschuhfach und observierte damit die Talstraße, deren Verlauf man von hier aus bis nach Lenk hinunter im Blick hatte. Schuarl würde, sobald er den Bus erblickte, mit Warnlicht und Sirene zurück ins Dorf düsen, um die Fremden noch vor ihrem Eintreffen anzukündigen. Er hatte im Fernsehen gesehen, dass wichtige Busse wie Autos stets von blinkenden Lichtern eskortiert oder angemeldet wurden. Außerdem wollte er an dieser Stelle auch als Streckenposten zur Verfügung stehen, falls die von weither kommenden Besucher Fragen zum Weg hätten, und vor allem meinte er, die Autos zählen zu müssen, sodass er seinem Lehrbub Franzl über das neu angeschaffte Walkie-Talkie durchgeben konnte, wann er die Autos auf die anderen Parkflächen weisen sollte. St.   Peter am Anger war an diesem Tag zur autofreien Zone erklärt worden, um mehr Platz für die Festtische zu haben, auch weil die Mütterrunde sich gesorgt hatte, dass die Leute von außerhalb schlechte Autofahrer seien und die umherlaufenden Kinder verletzen könnten.
    Schuarl erachtete seine Aufgabe der Verkehrsleitung als so wichtig, dass er sogar mit Sirene und Warnlicht zum Wetterblick gedüst war und damit ganz St.   Peter aus den Betten gerissen hatte. Natürlich hätten sich die meisten noch mal auf die Seite kugeln und zumindest bis sieben schlafen können, aber dazu war der Tag zu ereignisreich, und so fanden sich bereits um sechs Uhr morgens die ersten Grüppchen frisch geduschter St.   Petrianer auf der Kirchenstiege ein und beratschlagten, was man bis zum Beginn des Spektakels noch alles tun sollte und herrichten könnte. Edeltraud Parseier hatte die Idee, das Dorf noch extensiver mit den Farben der Vereine zu verzieren. Man schaffte also gelbes und blaues sowie weißes und braunes Krepppapier herbei, schnitt Schlangen aus und fädelte diese wie Girlanden durch die Zweige aller Sträucher und Bäume, die entlang der Hauptstraße standen. Auch der Nussbaum der Irrweins sowie die Himbeerhecke wurden dekoriert. Johannes A. Irrwein beobachtete vom Balkon aus, wie Engelbert Parseier den Nussbaum erklomm und ihm seine Mutter und deren Freundinnen von der Straße aus zuriefen, wo er die Schlaufen hinhängen sollte.
    »Weita rechts!«
    »Links!«
    »Engelbert, des is owa ka schene Schlaufn!«
    »Engelbert, da drübn is des Ende owi g’falln!«
    »Da rechts g’hört nu ane hin!«
    Engelbert hing im Nussbaum wie ein Affe mit Höhenangst. Er hatte Mühe, nicht zu Boden zu stürzen, während ihn die Mütterrundenmitglieder unbarmherzig durch die Zweige schickten, so als wäre sein gesundheitliches Wohl bei Weitem nicht so wichtig wie eine schöne Dekoration des Irrwein’schen Nussbaumes, der immerhin einer der größten und schönsten Bäume entlang der Hauptstraße war. Sepp Gippel, der zufällig vorbeikam, rettete schließlich seinen drittbesten Spieler, bevor ihn die Mütterrunde in die Krone schicken konnte.
    »Seids es deppert? Den brauch i nu!«
    Um zehn versammelte sich die Blasmusik in Uniform zur Generalprobe, und zwischen dem Instrumentestimmen hörte man Mütter oder Ehefrauen, die ihre Söhne oder Männer ermahnten, bloß nicht die Uniform schmutzig zu machen.
    Auch nach vier Stunden des Wartens verließ der dienstbewusste Schuarl seinen Posten nicht. Johannes hatte am Vortag versucht, ihm einzubläuen, dass es reichte, wenn er kurz vor Mittag losfahren würde. Der Reiseplaner von St.   Pauli hatte mit der Gemeindesekretärin vereinbart, die Mannschaft werde um zehn Uhr ein Flugzeug von Hamburg nach Süden nehmen und vom nächstgrößeren Flughafen mit einem Bus durch die Alpen fahren. Schuarl jedoch ließ sich nicht davon überzeugen, dass das Flugzeug nicht früher als zum gebuchten Zeitpunkt kommen würde und dass wahrscheinlich kaum Zuschauer vor zehn Uhr im Dorf erscheinen

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