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Blasmusikpop oder Wie die Wissenschaft in die Berge kam: Roman (German Edition)

Blasmusikpop oder Wie die Wissenschaft in die Berge kam: Roman (German Edition)

Titel: Blasmusikpop oder Wie die Wissenschaft in die Berge kam: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Vea Kaiser
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bist wordn!«
    Dass ihr die Schwiegermutter vorwarf, den Putzfetzen nicht richtig halten zu können, prallte an Ilse ab wie Regentropfen an einem aufgespannten Schirm. Alois aß gern, was sie kochte, und über den Vorwurf, ihre Kuchen wären hart wie Stein, musste sie lachen. Wann immer die keifende Schwiegermutter ihr jedoch vorhielt, dass sie noch nicht schwanger geworden sei, kullerten die Tränen über ihre Wangen, lief sie ins Obergeschoss und warf sich für Stunden aufs Bett.
    Als Ilse 1986, vier Jahre nach der Hochzeit, immer noch nicht guter Hoffnung war, tratschte nicht nur die Schwiegermutter, sondern auch der Rest des Dorfes. Für Ilse wurde die Situation immer unerträglicher, denn mittlerweile hatten alle anderen Frauen, die 1982 geheiratet hatten, Kinder. Martha Kaunergrat war sogar schon mit dem dritten schwanger. Zudem arbeitete Ilse als Kindergärtnerin und war jeden Tag von kleinen Kindern umgeben. Nichts wünschte sie sich sehnlicher, als selbst ein Kind zu haben, und so suchte Ilse eines Tages Johannes Gerlitzen am Ende des Ordinationsmittwochs auf. Sie wusste selbst nicht so recht, ob sie als Tochter oder als Patientin kam. Das war auch egal, denn bevor er sie untersuchen konnte, fiel sie ihm um den Hals, brach in Tränen aus und beichtete ihr Unglück, ihre Verzweiflung und ihren sehnlichen Wunsch, Kinder zu bekommen. Die Elternschaft, notierte Johannes Gerlitzen an jenem Abend in sein Patientenjournal, ist schon eine seltsame Sache, denn sie scheint über jede Kränkung erhaben zu sein. Egal wie sehr sich Eltern und Kinder übereinander ärgern, am Ende verzeiht man sich alles – vor allem kann ein Vater seiner Tochter nicht böse sein, wenn er merkt, daß sie ihn braucht.
    1987 begann Johannes Gerlitzen, seiner Tochter Hormonpräparate zu verabreichen. 1989 konsultierte sie heimlich die kräuterkundigen alten Dorffrauen – was ihr Vater nicht erfahren durfte, denn er lag seit Jahren mit der alten Frau Hohenzoller im Streit, da er ihre Kräutersude und Wundertinkturen für gesundheitsgefährdend hielt.
    In den Achtzigerjahren hatte sich der Generationenwechsel bis in die Politik fortgesetzt, und Fritz Ebersberger hatte seinen Vater Friedrich Ebersberger, der aus gesundheitlichen Gründen ausscheiden musste, vorzeitig im Bürgermeisteramt beerbt. Er ließ als erste Amtshandlung das Gemeindeamt neu bauen, da im alten etliche Stufen zu steigen waren, und Fritz Ebersberger seinen Vater an Leibesfülle um einiges übertraf. Im Zuge der Neugestaltung des Dorfplatzes erinnerte Johannes Gerlitzen den jungen Bürgermeister daran, dass dessen Vater ihm bei seiner Rückkehr nach St.   Peter im Jahr 1969 ein eigenes Arzthaus versprochen hatte, und im Jahr 1990 wurde dieses schließlich fertiggestellt. Ilses Glück war übergroß, als ihr der Vater bei einem Spaziergang zu Ostern ankündigte, Alois und ihr das Haus der Gerlitzens zu überschreiben, damit sie endlich ein eigenes Heim hätten. Johannes brauchte als alleinstehender Arzt kein derart großes Haus und das neu gebaute Arzthaus am hinteren Dorfplatzplateau war groß genug, dass der Doktor im Untergeschoss ordinieren und im Obergeschoss wohnen konnte. Alois und Ilse hingegen hatten die Hoffnung auf Nachwuchs noch nicht aufgegeben. Vor allem hatte Johannes eingeleuchtet, dass eine räumliche Trennung von Ilse und Alois’ Mutter unbedingt notwendig war, um einen Mord zu verhindern. Am Tag des Umzugs bedankte sich Alois sogar in Hochsprache bei Johannes, doch der hörte ihm nicht richtig zu, sondern stellte nur fest, dass Alois erstaunlich viele graue Haare für sein Alter hatte und nun noch barbarischer aussah.

[Ordnung eines Dorfes, Notizbuch I]
    [3.0.] Nachdem das Lenker Kloster das Dorf unterworfen hatte, befahlen die Mönche den Bergbarbaren, an jenem Ort, wo sie den Koloman getötet hatten, eine Kirche zu errichten. Kaum waren die Grundfundamente gelegt, bestatteten sie den Koloman. Die Mönche begründeten dies damit, daß ein Heiliger nicht lang unbestattet bleiben dürfe, ich hingegen vermute, daß es ihnen schwierig wurde, den Zerfall der Leiche weiter hinauszuzögern. [3.1.] Nebst dem Kirchenbau zählten die Mönche die Bewohner, die Behausungen, das Vieh und die Felder. Wie ich berichtete, waren die Bergbarbaren bereits auf ihrer Wanderschaft von einem irischen Mönch zum Christentum bekehrt worden, doch sie hatten die Details dieser Religion – wie Monogamie – vergessen, also wurden sie ein zweites Mal getauft und Männer mit

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