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Blasmusikpop oder Wie die Wissenschaft in die Berge kam: Roman (German Edition)

Blasmusikpop oder Wie die Wissenschaft in die Berge kam: Roman (German Edition)

Titel: Blasmusikpop oder Wie die Wissenschaft in die Berge kam: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Vea Kaiser
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zu rechtfertigen. Hab halt Geduld, du wirst doch dein Kind nicht jetzt schon bevormunden wollen? So und jetzt gehst nach Hause, sagst dem Alois, er soll dir ein Fußbad einlassen, dir die Knie massieren und deinen Bauch mit Hirschtalg einschmieren. Ein Kind kommt, wenn es kommen will. Ich hab jetzt noch andere Patienten, der kleine Parseier hat schon wieder ein Loch im Kopf.« Johannes stand auf, um Ilse versöhnlich mit einem Kuss auf die Stirn zu verabschieden, doch Ilse schnappte schnaubend ihre Handtasche und watschelte davon. Die Tür knallte ins Schloss, und Ingrid stand umgehend in der Praxis.
    »Ollas in Ordnung, Herr Doktor?«, fragte sie, aber Johannes drehte ihr den Rücken zu und tat, als müsste er etwas Wichtiges aufschreiben. Die Arzthelferin blieb breitbeinig in der Tür stehen und verschränkte die Arme.
    »Gehen’S bitte, Ingrid, und schicken’S mir den kleinen Parseier-Buben herein, bevor der verblutet.«
    Die Arzthelferin schnitt eine Grimasse und schlenderte hinaus. Johannes Gerlitzen seufzte und streifte sich frische Latexhandschuhe über. Wahrscheinlich war sie so fähig, die Ordination in Ordnung zu halten, weil sie neugieriger war als jedes Waschweib und ihr nichts entging, überlegte er. Seit sie hier arbeitete, musste er sich um nichts anderes kümmern als um die Untersuchungen. Ohne diesen lästigen Papierkram hatte er viel mehr Zeit für seine Studien über die entropen Parasiten, aber in Momenten wie diesem fragte er sich, ob es das wert war.
    Während Doktor Johannes Gerlitzen die Platzwunde des kleinen Engelbert Parseier mit Jod ausspülte, gründlich säuberte und schließlich nähte, beschlich ihn das schlechte Gewissen. Er hatte sehr wohl wehenfördernde Medikamente in der Apotheke im Hinterzimmer vorrätig. Aber Ilse war ein Sturkopf, und man musste ihr nicht immer ihren Willen lassen, immerhin wollte er das Beste für sie und das Kind. Johannes war in Gedanken versunken und merkte gar nicht, wie herzzerreißend der kleine Parseier weinte. Die Arzthelferin erschien ungerufen im Behandlungszimmer, gab dem Buben seinen fünften Schokoladenschlecker und streichelte seine Schulter. Was heulte das Kind überhaupt, fragte sich Johannes. Der kleine Parseier war alle drei Wochen wegen irgendeiner Platzwunde in der Ordination, würde der etwas mehr lesen, anstatt ständig irgendwelchen Bällen hinterherzulaufen, müsste er sich nicht ständig Wunden nähen und Löcher stopfen lassen. Als Johannes den Faden abschnitt, überlegte er, wie Ilses Kind wohl werden würde. Er hoffte inständig, es würde nicht allzu sehr nach seinem Vater geraten, doch die Chancen standen schlecht. Bei seinem letzten Besuch hatte er festgestellt, dass Alois eine große Abenteuerlandschaft im Garten aufgebaut hatte. Noch vor der Geburt standen zwei Rutschen, ein Klettergerüst, drei Schaukeln und zahllose andere Dinge bereit, um dem Kind Verletzungen zuzufügen. Ob der kleine Parseier wegen der Jodtinktur brüllte, war Johannes egal. Doch bei seinem eigenen Enkelkind wäre das wohl anders, fürchtete er. Es sei denn, das Kind hätte Alois’ borstige Straßenköterhaare, dann könnte er sich vorstellen, er nähte Alois.
    Seit mittlerweile drei Wochen marschierte Ilse täglich fünf Runden um das Haus. Der Garten der Irrweins umschloss das Haus an drei Seiten und mündete nördlich in die mit Schottersteinen bestreute Einfahrt. Auf der Westseite hatte sich Alois seine private Werkstatt eingerichtet. Die Werkstatt des Zimmermannsbetriebs, den er nach dem Tod seines Vaters selbstständig führte, befand sich auf dem Grundstück seiner Eltern. Im Süden sah Ilse die abschüssige Obstbaumwiese und östlich, neben der Dorfstraße, die in die Talstraße hinunter ins Angertal mündete, lag das kleine Vorgärtchen, wo schon ihre Mutter Gemüse und Gartenblumen angepflanzt hatte. In diesem Vorgärtchen stand auch ein großer Nussbaum, den Ilses Urgroßvater gesetzt hatte. Noch nie hatte Ilse dem Verfärben des Laubes mit so großer Ungeduld zugesehen. Sie war böse auf den Nussbaum, da dieser stetig goldener wurde, Tag für Tag Laub ließ, als wollte er sie verhöhnen. Innerhalb der letzten drei Wochen hatte er ihren täglichen Weg um das Haus mit seinen Blättern gesäumt, und nun musste sie achtgeben, nicht auszurutschen. Als Ilse Irrwein eine Woche nach dem erfolglosen Gespräch mit ihrem Doktor Vater wieder im Garten stand und innehielt, um sich das Kreuz zu massieren, erschien Marianne Rettenstein am Horizont und

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