Blau wie Schokolade
durfte gar nicht anfangen, darüber nachzudenken … »Jared Nunley bekommt frühestens Geld von mir, wenn der Mond sich lila färbt und in Kanada Suaheli zur Landessprache erklärt wird. Falls ich das Zivilverfahren verliere, werde ich meine Besitztümer auf der Stelle in Dollarscheine umtauschen, eine Stunde lang einen Hubschrauber mieten und die Geldscheine über Portland abwerfen. Dann werde ich meinen Bankrott erklären. Und diese Aktion werde ich vorher ankündigen, so dass alle Menschen, die Geld nötig haben, auch wirklich auf der Straße sind.«
Ich verzog keine Miene, obwohl die Reporter lachten. Sie senkten die Köpfe und schrieben eifrig mit.
»Glauben Sie, dass die Geschworenen Sie der Körperverletzung schuldig sprechen werden?« Diese Frage kam von dem jungen coolen Typ.
»Ja.«
Alle Anwesenden hielten die Luft an.
»Warum glauben Sie das, Ms Stewart?«
»Weil es stimmt.«
Wieder entsetztes Staunen.
»Haben Sie die Strafe für Ihre Tat verdient?«
»Nein.«
Mein Bruder wollte etwas sagen. Unauffällig hob ich die Hand. Er wusste, was das zu bedeuten hatte: Das würde ich allein regeln.
»Ms Stewart, es ist jetzt nicht mehr lange bis zur Wahl. Glauben Sie, dass Ihre Vergangenheit das Ergebnis beeinflussen wird?«
Jetzt endlich sprach Jay wieder: »Ich glaube, dass die Menschen in Oregon aufgrund meiner Erfolge und der sehr ernsten Probleme, mit denen sich unser Staat auseinandersetzen muss, ihre eigene Entscheidung treffen, wen sie zum Gouverneur wählen. Ich bezweifle stark, dass sie sich von dem Nebenschauplatz hier ablenken lassen. Ich danke Ihnen allen fürs Kommen. Das wär’s.«
Jay packte mich am Arm, griff fest zu, und wir drei traten ab.
»Ms Stewart, haben Sie Mr Nunley noch etwas zu sagen?«
Ich dachte kurz nach. »Ich will mein Mountainbike zurück.«
22 . KAPITEL
Am nächsten Morgen war ich wieder auf der Titelseite der Tageszeitung abgebildet, zusammen mit Jay. Wir standen neben Charlie vor der Pressekonferenz.
Auf diesem Bild lächelte niemand. Meine Schuhe konnte man auch wieder nicht sehen, was schade war.
Die Verfasserin des Artikels hatte mich korrekt wiedergegeben. Ihre Arbeit beeindruckte mich. Es konnte ansonsten nicht viel passiert sein, denn im Fernsehen wurde ebenfalls über das Thema berichtet. Zigmal wurde ich gezeigt, jedes Mal mit einem anderen Zitat. Immer wenn ich auf der Mattscheibe erschien, erhob sich ein Geschrei in der Wahlkampfzentrale, alle hörten auf zu arbeiten und schauten zum Fernseher. Die Einzige, die es nicht sehen wollte, war ich.
Als ich abends nach Hause kam, war ich furchtbar traurig. Nicht wegen mir, sondern wegen des großen Schadens, den ich Jay zugefügt hatte. Ich hatte mich erneut bei ihm entschuldigt, und er hatte mich in mein Büro geschoben, die Lamellen zugezogen und mich an sich gedrückt. Ich hatte an seiner Schulter geweint, und er hatte mich getröstet, was wirklich grotesk war. Ich hätte ihn auf Knien um Vergebung bitten müssen.
Charlie hatte sich ebenfalls super verhalten, mich in den Arm genommen und gesagt, dass Jay trotzdem gewinnen würde, ich solle mich nicht sorgen, die einzige Schuld habe er selbst, Charlie. Das fand ich genauso grotesk, ich weinte wieder, entschuldigte mich und fühlte mich schrecklich.
Die Mitarbeiter waren umwerfend. Allerdings hatte ich mich wohl zu lange entschuldigt, nachdem wir die Journalisten aus der Wahlkampfzentrale gescheucht hatten, denn als ich zu meiner dritten ausführlichen Entschuldigungsarie anheben wollte, rief Ramon dazwischen: »Wir haben’s verstanden, Jeanne, okay? Wir haben’s kapiert. Alles klar hier. Lass uns weitermachen!«
Am Abend fuhr ich nach Hause, zog eine kurze Hose an und holte zwei Flaschen Schnaps und drei Bier aus dem Kühlschrank.
Früher hätte ich mir einen rührseligen Film angeguckt, ein Kissen hinter den Kopf gestopft und den Alkohol in mich hineingeschüttet.
Mein neues Ich leerte alle Flaschen in den Fluss und warf das Glas anschließend in den Recycling-Container. Sollten sich doch die Fische betrinken.
Lange lief ich am Fluss entlang und lauschte den Rufen der Eulen. Anschließend watete ich bis zum Hals ins Wasser, inklusive Klamotten. Es war eiskalt. Ich blieb nicht lange.
Die Trinkerei hatte mich zu lange beherrscht.
Mit mir und dem Alkohol war nun Schluss.
Ein für alle Mal.
Am nächsten Tag hatte ich das Gefühl, als würden mir viele Menschen im Staate Oregon Beifall klatschen. Mehrere Zeitungen führten meine
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