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Blau wie Schokolade

Blau wie Schokolade

Titel: Blau wie Schokolade Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Cathy Lamb
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Früher hassten die Frauen mich deswegen, aber ich kann nur sagen: Ich wäre lieber zu mollig als spindeldürr.
    »Ja, ich bin zu dünn. Ich sehe aus wie ein Gerippe. Man kann fast meine Knochen klappern hören. Zu Ehren meines letzten Besäufnisses werde ich mich selbst zum Abendessen einladen, die Herren. Wenn Sie mir ein anständiges Restaurant empfehlen könnten?«
    Der Kleine schlug in die Hände. Der Große nickte. Beide waren sofort Feuer und Flamme. »Wir wollten eh ausgehen. Würden Sie uns begleiten? Wir laden Sie ein.«
    »Ich würde gerne mit Ihnen essen gehen. Aber nicht auf Ihre Kosten. Ich bezahle. Keine Diskussion. Ich schulde Ihnen etwas. Ich habe einen Bärenhunger.« Wir gingen in einen Laden namens Jack’s. Dort gab es Muscheln in buttriger Knoblauchsoße. Sagenhafte Steaks. Umwerfenden Caesar’s Salad. Ich trank nur zwei Glas Alkohol.
    Der Große und der Kleine luden mich nach dem Essen in einen Club ein. Doch die Vorstellung, in eine Bar zu gehen, wo Männer mich musterten wie ein jederzeit verfügbares, saftiges Stück Fleisch, hatte auf mich nur wenig Anziehungskraft. Die beiden Herren bestanden darauf, mich zum Bed & Breakfast zurückzubringen.
    In der heißen Badewanne verbrühte ich mich fast, dann krümmte ich mich auf dem Balkon zu einer kleinen Kugel zusammen und weinte. Anschließend ging ich ins Bett.
    Das Gespräch mit der Therapeutin hatte zu viele schlimme Erinnerungen aufgewühlt. In der Nacht träumte ich von meinem Baby. Ally war nicht allein, sondern von vier anderen Kindern umgeben. Im Hintergrund waren ein Bauernhaus und jede Menge Schafe.
    Ich schlief besser.
     
    Mein Bruder rief an: »Hey, melde dich mal bei Bob Davis, das ist der Stabschef des Gouverneurs. Du erreichst ihn unter der Nummer, die ich dir gegeben habe. Dann muss ich mir keine Sorgen mehr um dich machen. Vereinbare einen Termin für ein Bewerbungsgespräch mit Jay Kendall, dem Gouverneur«, sagte Charlie in besorgtem Ton. »Jay geht in ein paar Wochen in Urlaub, und ich möchte, dass du ihn vorher noch kennenlernst. Er braucht eine Kommunikationschefin, unsere ehemalige wollte lieber rund um die Uhr Kickboxen lernen, warum auch immer, und du bist genau die Richtige für den Posten. Die Stelle ist dir auf den Leib geschneidert. Es ist nur ein Anruf. Mehr nicht. Ein einziger Anruf.«
    Mit den Füßen planschte ich im Salmon River und passte auf, dass mein Handy nicht ins Wasser fiel.
    Mir entging nicht der verzweifelte Ton in der Stimme meines älteren Bruders. Charlie war ein guter Kerl, irrsinnig freundlich und klug und fast immer krank vor Sorge um mich. Er war verheiratet und hatte vier Kinder. Seine Frau Deidre war nicht berufstätig, sondern Hausfrau. Als ich ein Foto ihres eindrucksvollen weißen Heims in Portland sah, bekam ich einen Kloß im Hals, weil man schon beim ersten Blick auf das Bild sah, dass dort eine glückliche, wilde, chaotische Familie wohnt.
    »Jeanne?«
    »Ja.« Ich beugte mich vor und betrachtete die glatten Steine im Fluss.
    »Du rufst doch wirklich an und machst einen Termin, oder? Ich würde mich echt sehr darüber freuen. Das ist eine Chance, die du nicht verpassen darfst.«
    »Ja, klar.« Ich wälzte Steine um. Ein kleiner Fisch schwamm vorbei.
    Charlie seufzte. »Das gefällt mir nicht, wie du gerade ›ja, klar‹ gesagt hast. Du gibst mir bloß recht, damit wir das Thema wechseln können und du weitermachen kannst mit deinem Nervenzusammenbruch.«
    »Schon gut, schon gut. Ich hab’s begriffen.«
    »Bitte, jetzt hör mal zu, Jeanne, hör mir zu: Ich mache mir Sorgen um dich.«
    »Ich weiß, Bruderherz, aber mir geht’s gut. Prächtig. Brauchte einfach nur mal eine andere Umgebung, mehr nicht.« War da gerade ein Frosch gehüpft?
    »Mehr nicht?«
    »Ja, schon gut.« Das war tatsächlich ein Frosch! Ein winziges Tier, direkt am Ufer. Sollte ich ihn fangen? »Und ich weiß, dass dir bewusst ist, was passiert ist, aber ich will nicht darüber sprechen.« Mein Bruder wusste Bescheid. Schon in jungen Jahren hatte er alles über Politik und Politiker gelesen, was er in die Hände bekam.
    Charlie engagierte sich in der Politik und leitete momentan den Wahlkampf zur Wiederwahl des Gouverneurs von Oregon. Da Charlie tausend Leute kannte und einer seiner besten Freunde ein hohes Tier in der Chicagoer Werbebranche war, überraschte es mich nicht, dass er von meiner jüngsten Vorstellung gehört hatte. Hoffentlich hatte er noch nichts von der Anklage wegen Körperverletzung

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