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Blau wie Schokolade

Blau wie Schokolade

Titel: Blau wie Schokolade Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Cathy Lamb
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äußerte mich herablassend über ihr Hausfrauendasein – ob das nicht langweilig sei? Ob sie nicht ein schlechtes Gewissen habe, weil sie ihr volles Potential nicht ausschöpfe? Wie könne ihr Leben überhaupt erfüllt sein? Würde sie nicht liebend gerne aus ihrem begrenzten, öden Hausfrauenleben ausbrechen?
    In Wahrheit war ich grün vor Neid auf Deidre.
    Sie hatte alles, was ich mir wünschte.
    Einen Mann. Viele Kinder. Jede Menge Tiere.
    Ich hatte mich immer in einer Rolle wie Deidres gesehen. Ich wollte so sein wie sie. Dieser Wunschtraum wurde zerstört.
    »Sie wünscht sich, dass ihr besser miteinander auskommen würdet«, sagte Charlie.
    »Ich weiß, aber ich bin einfach zu verschroben.« Dazu momentan seelisch instabil. Außerdem Alkoholikerin und eine verrückte Irre, die nur nach außen hin normal wirkte. Aber wer sagte schon laut die Wahrheit über den eigenen psychischen Zustand?
    »Die Kinder würden dich auch gerne sehen«, sagte Charlie mit ganz leiser Stimme. »Die jüngeren drei hast du noch nicht mal kennengelernt.«
    »Ich weiß.«
    Charlies ältestes Kind war ungefähr genauso alt, wie meine Tochter Ally Johnna jetzt sein würde. Die Kleine hieß Jeanne Marie (nach mir). Charlie und Deidre schickten mir immer Bilder von meinen Nichten und Neffen, die ich in Fotoalben klebte. Ich liebte die Kinder, auch wenn ich sie fast noch nie gesehen hatte. Zu Weihnachten und zum Geburtstag schickte ich ihnen tolle Geschenke, erkundigte mich vorher bei Charlie nach ihren Wünschen. Es war einfach schade, dass die Kinder so eine übergeschnappte Tante hatten, die sie einfach nicht anschauen konnte, ohne dass sie das Gefühl hatte, ein Schwert fahre in ihr Herz. Ich konnte sie nur aus der Ferne bewundern.
    »Ich komme sie irgendwann besuchen, Charlie, wirklich.«
    »Wirklich?«
    Fast musste ich weinen, als ich die Hoffnung in Charlies Stimme hörte.
    »Wann? Wie wäre es am Wochenende?«
    »Am Wochenende kann ich nicht.«
    »Warum nicht?«
    »Ich habe schon was vor.«
    »Was denn?«
    »Was Lustiges. Was Aufregendes.« Zum Beispiel, diesen Frosch von einem Stein zum anderen springen zu sehen. Das sagte ich aber nicht laut.
    »Jeanne, ich weiß, dass es dir schwerfällt, aber die Kinder brauchen eine Tante. Deidre hat keine Geschwister, sie brauchen dich –«
    »Ich möchte nicht mehr darüber reden, Charlie.« Meine Worte kamen heraus wie eine Maschinengewehrsalve. Sofort bedauerte ich sie. »Tut mir leid. Ich werde euch besuchen. Ich möchte gerne, wirklich.« Ich dachte darüber nach. Vielleicht stimmte das sogar. Vielleicht käme ich ja doch mit der Situation klar.
    Ich schloss die Augen und wartete, dass sich die eiserne Faust um mein Herz lockerte.
    Charlie diktierte mir noch zweimal die Telefonnummer des Stabschefs, sagte mir, er habe mich lieb, ich sagte dasselbe zu ihm, dann wiederholten wir das Ganze noch mal. Ich sah mir an, wie der Fluss meine Knöchel umspielte. Ich liebe die Farben des Wassers. In sehr sauberen Flüssen ist es durchsichtig, aber tatsächlich besteht es aus vielen verschiedenen Farben, durchsichtig, aber dennoch Farben, und unter der Oberfläche ist eine andere Welt.
    Ich bückte mich und tauchte vollständig in den Fluss ein, nur das Handy hielt ich in die Luft. Ich schloss die Augen, blendete alles aus, sanft schubste mich die Strömung mal hierhin, mal dorthin. Als ich den Atem nicht länger anhalten konnte, richtete ich mich wieder auf. Klatschnass stieg ich ans Ufer und ging zurück zu Rosvita, die fast leere Weinflasche im Arm, die ich im Gras abgelegt hatte.
    Ich dachte über Charlies Anruf nach. Ich wollte nicht schon wieder arbeiten, aber das Leben war voller teurer Überraschungen, oder?
    Beispielsweise wusste ich in jenem Moment nicht, dass ich ein verfallenes, heruntergekommenes Haus kaufen würde, welches in den folgenden Monaten aufwendig renoviert werden müsste. Das würde viel Geld verschlingen.
    Ich wusste aber, dass die Sache mit dem Schlappschwanz enorm teuer würde.
    Ich ging nach hinten auf Rosvitas Veranda, zog mich aus und stieg die Treppe hinauf zu meinem Zimmer. Ich war der einzige Gast, und Rosvita war zu Besuch bei einem Freund in Portland, einem Bakteriologen.
    Ich trocknete mich ab, zog mich wieder an und fuhr zum Opera Man’s Café, wo ich mir Pfannkuchen gönnte. Das machte ich mindestens fünfmal pro Woche. Eine Art Therapie. Oder es war eine Art Aussöhnung mit meiner Pfannkuchen-Vergangenheit. Ich konnte einfach nicht genug davon

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