Blau wie Schokolade
bekommen.
Zum ersten Mal seit Jahren hatte ich tatsächlich das Gefühl, neue Freundschaften zu schließen. Die Leute im Opera Man’s Café lächelten mich an, wenn ich hereinkam, sie winkten mich zu sich, sprachen mit mir über normale Themen, so als sei ich ein ganz normaler Mensch. Ich gesellte mich zum Essen zu ihnen, und ihre gute Laune wärmte mir genauso das Herz wie der Kaffee.
Her mit dem Sirup!
7 . KAPITEL
»Der Mann hat den Tod verdient«, erklärte Rosvita einige Abende später, als wir vor ihrem Kamin saßen. »Dan Fakue, der Besitzer dieses verseuchten, schmuddelig-schmutzigen Arbeiterlagers, hat den Tod verdient.« Mit Nachdruck stellte sie ihren Cognac auf dem kleinen Holztisch neben sich ab.
»Da wimmelt es nur so vor Bakterien und Bazillen, die da vor sich hin keimen. Davon bekommt man mit Sicherheit Chryptosporidiosis. Das ist eine Krankheit, die von mikroskopisch winzigen Parasiten ausgelöst wird, die in den Gedärmen herumkreuchen und -fleuchen. In den
Gedärmen
! Die Krankheit verbreitet sich durch Fäkalien. Durch
Fäkalien
!«
Urgs. Was für eine Vorstellung!
Rosvita zählte weitere Krankheiten auf, die man sich ihrer Meinung nach im Arbeiterlager holen konnte. Ich rutschte tiefer in meinen gemütlichen roten Sessel, legte die Füße auf die lederne Stütze und gönnte mir einen schönen großen Schluck. Wir hatten alle Lichter gelöscht, damit unsere Augen »zur Ruhe kommen« konnten.
»Außerdem leben dort Kinder.
Kinder!
« Rosvita schüttelte beide Fäuste in die Luft. In ihrem eigenen Haus trug sie keine Handschuhe, weil sie überzeugt war, dort könne kein einziger Krankheitserreger leben und gedeihen. »Und ich weiß, dass dort etwas sehr Schlimmes, etwas Verbotenes vor sich geht, etwas Furchtbares, aber ich kann die Frauen einfach nicht überzeugen, es mir zu erzählen. Ich spreche zwar etwas Spanisch, aber nicht genug.«
»Ich weiß zwar nicht, was genau es ist, aber ich weiß, dass dieser abartige Fakue etwas im Schilde führt. Er verbirgt etwas. Ich wette, er hat Paraphilie. Das ist, wenn man ungewöhnliche sexuelle Gelüste hat und sich komisch benimmt. Er ist ein dreckiger, bazillenverseuchter Teufel.«
Ich nickte. »Der Typ ist wirklich übel.« Schweigend lehnten wir uns beide im Sessel zurück.
Ich war mit Dan Fakue letztens beim Einkaufen aneinandergeraten. Ein ausgesprochen unangenehmer Mann, gebaut wie ein alter Panzer, mit breiten, mächtigen Schultern, einem hervorquellenden Bauch und dem bösartigsten Gesicht, das ich je gesehen hatte. Es sah aus wie eine Mischung aus Schnecke, Bulldogge und Kröte. Er musterte meinen Busen und meinen Hintern und grinste schmierig, als bildete er sich ein, ich würde angesichts seiner körperlichen Analyse meiner selbst von wilder Leidenschaft überwältigt und jeden Augenblick mit ihm in die Kiste hüpfen, die Beine spreizen und die Füße in die Luft strecken.
Ich blieb stehen, musterte ihn von Kopf bis Fuß, verweilte länger auf seiner Brust, seinem Bauch und seinen Lenden. Dann wiederholte ich den Blick – und lachte. Laut und deutlich.
Er ballte die Fäuste, als wollte er mich schlagen. Ich hatte zwei Tüten Milch in der Hand und hob sie hoch, so als würde ich sie in sein mürrisches Gesicht schleudern. Einen Moment lang starrten wir uns an, dann begannen seine Augen sonderbar zu funkeln. Da war mir klar, dass er unzurechnungsfähig war, dass er aufmüpfige Frauen gerne unterbutterte und Gefallen daran finden würde, mich sozusagen zu »zähmen«.
»Nichts da«, sagte ich laut. »Ich gehe mit keinem Mann aus, der seine Angestellten zwingt, in winzig kleinen verseuchten Bruchbuden zu leben.«
Dan Fakue, der Migrantenschreck, wie ich ihn heimlich nannte, schien sich zu wundern, dass ich etwas sagte, hatte sich aber schnell wieder unter Kontrolle. »Ich habe Sie gar nicht eingeladen, Madame.«
»Ich weiß. Ich wollte Ihnen nur ersparen, in Zukunft Ihre Spucke zu verschwenden.«
Er wurde wütend. Mann, war ich stolz auf mein freches Mundwerk!
»Möchten Sie später in die Hölle?«, fragte ich.
»Wenn wir sterben, sterben wir, Madame. Gibt keine Hölle und keinen Himmel.«
Ich nickte wissend. »Da liegen Sie völlig falsch. Hoffentlich haben Sie’s gern heiß. Nee, noch besser: Hoffentlich fangen sie gerne Feuer, denn Sie werden nach dem Tod in die Hölle kommen für die unsägliche Art und Weise, wie Sie Ihre Arbeiter behandeln.«
»He, heißer Ofen, es ist mir so was von scheiß–«
»Bitte nicht
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