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Blau wie Schokolade

Blau wie Schokolade

Titel: Blau wie Schokolade Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Cathy Lamb
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hatte. Im Hintergrund hörte ich die anderen kleinen Racker abwechselnd streiten und herumpoltern, dazu die Vögel, den Hund, Deidres Stimme und ein Videospiel.
    »In Gedanken habe ich angerufen«, witzelte ich.
    »In was?« Er stöhnte aus tiefer Seele. »Also, jetzt rufst du ihn nicht nur in Gedanken an, sondern im wirklichen Leben.«
    Im wirklichen Leben? Was war das? Fand dieses Leben wirklich statt? War meine Depression real oder nur eine böse, dunkle Kraft, die sich irgendwie in mich geschlichen, sich mitten in der Nacht in meinen Knochen festgesetzt hatte?
    »Hör zu, Süße! Ich weiß, dass du eine Menge mitgemacht hast.«
    »Mir geht’s gut, Charlie. Alles läuft prima.« Ich lachte leise. Verrückte lachen immer an unpassenden Stellen, rief ich mir in Erinnerung.
Hör auf damit!
    Er seufzte. »Erzähl keinen Blödsinn! Bei anderen Leuten funktioniert das vielleicht, aber nicht bei mir. Ich mache mir Sorgen um dich. Warum kommst du uns nicht besuchen? Du könntest einen Termin mit Bob in der Stadt vereinbaren und zum Essen zu uns kommen.«
    »Nein, ich denke nicht.« Ich spähte hinüber zu dem Karton mit den Fotoalben seiner Kinder neben der Kommode, in die ich die Bilder chronologisch eingeklebt und mit bunten Farben, Mustern und Sprüchen verziert hatte.
    »Bitte, Jeanne, du kannst dich nicht so verkriechen, du kannst das Leben nicht völlig ausschließen, du kannst nicht einfach so verschwinden.«
    Das spröde Lachen brach erneut hervor.
    »Gut, Charlie. Ich melde mich bei Bob.«
    »Wann?«, kam es wie aus der Pistole geschossen zurück.
    »Bald.«
    »Das hast du letztes Mal auch gesagt.«
    »Aber diesmal meine ich es ernst.«
    Wieder stöhnte Charlie.
    Mein brüchiges Lachen balancierte am Rande eines Seufzers. »Hab dich lieb, Charlie.«
    »Ruf Bob an! Ich mache mir Sorgen.«
    »Bald.«
     
    Als die Sonne am Montag golden und jungfräulich über den Fluss lugte, ging ich joggen. Das Wasser schäumte wie steifgeschlagene Sahne. Ich weinte beim Laufen, die Tränen vermischten sich mit meinem Schweiß. Ich joggte ungefähr eine Stunde, mal langsam, mal schnell, wollte meinen Gedanken und der Trauer um meine Mutter davonlaufen.
    Allerdings ist Trauer ganz schön schnell, deshalb musste ich mich wirklich anstrengen.
    Später, als die Sonne hoch am Himmel stand, lief ich zum Briefkasten und holte die Zeitung für Rosvita. Wasser tropfte mir aus der Kleidung.
    Es handelte sich um eine »alternative« Zeitung. Ein Bild auf der Titelseite weckte meine Aufmerksamkeit. Ich musste lachen. Ich wollte gleich zwei Besen fressen, wenn es in dem Bericht nicht um das dämliche Schandmaul aus dem Aggressionsbewältigungskurs ging, Drake Windham!
    Offenbar war Mr Windham gegen zwei Uhr nachts mit seinem Wagen durch das Fenster einer Leichenhalle gerast. Glücklicherweise waren zu der Uhrzeit nur Leichen anwesend, so dass außer ihnen niemand von dem tieffliegenden Auto aufgeschreckt wurde. Als die Polizei Windham fand, kotzte er gerade auf die Straße, erklärte einer der Beamten. »Der Geruch von Schnaps war stark, und die offenen Flaschen im Wagen weisen darauf hin, dass Alkohol im Spiel gewesen sein könnte.«
    Im pikantesten Teil des Artikels ging es darum, dass der verheiratete Mr Windham, der zudem, wie die Zeitung bemerkte, vor kurzem wegen Misshandlung seiner Ehefrau verurteilt worden sei, betrunken mit einer jungen Frau im Auto gesessen habe, die in der Stadt als Prostituierte wohlbekannt sei und für eine teure Callgirl-Vermittlung arbeite.
    Der Artikel gab die Kommentare der jungen Frau wieder. Sie verkündete, sie würde am nächsten Morgen als Erstes einen Anwalt engagieren, weil Mr Windham sie bezahlt habe (für sexuelle Dienstleistungen, die in der Zeitung keine Erwähnung fanden) und es nicht ihrer Vorstellung von Spaß entspreche, durch das Fenster einer Leichenhalle zu krachen. Ihr linker Arm schmerze, merkte sie an, ihre Füße ebenso, besonders der große Zeh.
    »Ich meine, es ist doch total respektlos, einfach bei den Toten reinzuschneien. Ich hatte keine Ahnung, dass er so was vorhatte«, sagte sie. »Erst hat er die Hand bei mir in der Bluse und kriegt sich gar nicht mehr ein, was für große Möpse ich hätte, und als Nächstes segeln wir durch die Glasscheibe, und der Typ schreit: ›Hilfe! Hilfe! Ich sterbe! Ich muss sterben!‹ Ich werde ihn verklagen. Ich habe die ganze Nacht verloren. Darauf kann man doch klagen, oder? Ich habe doch wirklich eine Entschädigung verdient, oder?«
    Ich

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