Blau wie Schokolade
verzweifelten Ricardo, die panische Therese und traf kurzentschlossen eine Entscheidung.
»Kennt ihr Rosvita?«, fragte ich.
Ja, die Lopez kannten Rosvita. (»Aber ich verstehe ihr Spanisch nicht«, flüsterte Ricardo mir mit banger Miene zu. »Ich versuche es wirklich.«) Rosvita begrüßte die Familie wie lange vermisste Freunde. Ich bezahlte zwei Zimmer drei Wochen im Voraus für die Lopez, inklusive Mahlzeiten. Eigentlich hatte ich ein drittes Zimmer für Alessandra bezahlt, aber das Mädchen weinte und wollte auf keinen Fall alleine schlafen. Die Eltern sagten, es wäre am besten, wenn Alessandra bei ihnen im Zimmer auf einem Feldbett schliefe. Und so wurde es gemacht.
Rosvita war selig. Sie hielt einen ausführlichen Vortrag, wie sauber ihr Haus sei, und die Lopez lauschten jedem einzelnen Wort und nickten verständnisvoll, die guten Seelen.
Bevor die Lopez einziehen konnten, bestellten sie einen Kammerjäger, der die Insekten in meinem Haus bekämpfte. Alle Tiere wurden gebeten zu gehen, darunter drei Mitglieder einer Waschbärenfamilie, ein Opossum, ein Termitenstaat, eine Mäusekolonie, eine Gruppe Spinnen, Schwärme von Fliegen, eine Armee von Ameisen, ein Vogel und zwei Schlangen.
Sämtliche Möbel wurden herausgeworfen, auch Küchenschränke und Arbeitsplatten, sowie die gesamte Einrichtung der Badezimmer, zerfressene Vorhänge und die dunkle Vertäfelung, die aus den Zimmern düstere Höhlen machte. Die Teppiche wurden herausgerissen, und darunter entdeckten wir – welch ein Glück! – in allen Räumen die alten Holzbohlen in perfektem Zustand, als wäre nie jemand darübergelaufen. Ich bestellte einen Installateur, und die Lopez bauten mit ihm eine Toilette und ein Waschbecken im Badezimmer ein. Später kam er noch einmal, um Ricardo zu helfen, im neuen Badezimmer im ersten Stock Waschbecken, eine Dusche und eine riesengroße Badewanne für zwei Personen einzubauen.
Immer wieder putzte die Familie das gesamte Haus. Die Vogelnester auf den beiden Kaminen wurden entfernt. Der klebrig schwarze Ruß auf der Innenseite der Schlote wurde abgekratzt. Therese machte einen Termin mit einem Mann aus der Stadt, der neue Fenster einbauen und zwei Glastüren unten und eine oben im großen Schlafzimmer einsetzen sollte. Die Lopez legten ein neues Dach auf das Haus.
Bevor die Familie einzog, bestellte ich einen Kühlschrank und einen Ofen, zwei Doppelbetten und ein Einzelbett, dazu Bettwäsche für alle und drei Kommoden. Ich kaufte eine Couch, zwei Stühle, einen Küchentisch mit sechs Stühlen, die notwendigsten Küchenutensilien und andere Gegenstände, die mir jetzt nicht mehr einfallen wollen.
Während die fünf in dem Haus wohnten, wollten sie die Küche und die Badezimmer neu bauen, die Decken ersetzen, Einfassungen für den Kamin und Regale zu beiden Seiten bauen, die Holzleisten draußen neu streichen und das gesamte Haus von innen in hellen, fröhlichen Farben gestalten. Die Außenwände sollten gelb werden, dazu weiße Zierleisten und eine blaue Tür. Die Lopez würden den abgesenkten Boden im Wohnzimmer und die eingefallene Schlafzimmerwand reparieren.
In die Wandschränke in den Schlafzimmern würden sie Regale einbauen, zusammen mit einem Elektriker aus der Stadt alle Stromleitungen erneuern, die vordere Veranda und den hinteren Balkon abreißen und einen neuen fast um das gesamte Haus herumbauen. Dann würden sie den Balkon an meinem Schlafzimmer austauschen. Therese würde alle Vorhänge und Gardinen nähen. Ich wusste, dass ich ihnen das Haus vertrauensvoll überlassen konnte, wenn ich wegen meiner kleinen Geschichte mit dem Schlappschwanz im Gefängnis sitzen würde.
Als die Lopez einzogen, überreichte ich ihnen den nächsten Scheck. Ricardo traten Tränen in die Augen, und Therese entspannte sich am ganzen Körper.
»Wir zahlen Miete«, sagte Therese.
»Nein«, beschied ich ihr. »Keine Miete. Auf gar keinen Fall.«
Zitternd am ganzen Leib, nahm sie mich in die Arme.
An jenem Abend holte ich ein ganz besonderes Fotoalbum aus dem Karton.
Es hatte einen rosa Einband.
Ich nahm es mit nach draußen auf den Balkon und setzte mich in den Korbstuhl. Die leichte Brise liebkoste mein Gesicht. Mit zitternden Händen schlug ich es auf. Als ich das erste Foto sah, klappte ich es schnell wieder zu. Ich hatte das Gefühl, meine Adern würden vor Schreck erstarren.
Ich versuchte, das Album erneut zu öffnen, konnte mich jedoch nicht überwinden.
Ein dritter Versuch. Beim dritten Mal
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