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Blau wie Schokolade

Blau wie Schokolade

Titel: Blau wie Schokolade Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Cathy Lamb
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begann, verdrückten sich Rosvita, die Lopez-Männer und ich.
    Im Auto zogen wir schwarze Hosen und Pullis über, dazu schwarze Skimasken und Handschuhe. Im Dunkeln fuhren wir zum Grundstück des Ausländerschrecks zurück. Während der Fahrt sagte niemand ein Wort. Ich glaube, wir atmeten nicht einmal. Wir konnten nicht. Wir hatten so viel Angst, dass uns die Knochen schlotterten.
    Die Dunkelheit bedrängte uns, kam immer näher, so nah, dass wir zu ersticken drohten. Ich hatte das Gefühl, mich in einem fahrenden Sarg zu befinden.
    Als wir am Ziel waren, überzeugte sich Ricardo, dass keine Arbeiter mehr in den Hütten waren.
    Natürlich hätte uns eh niemand die Polizei auf den Hals gehetzt. Dessen war ich mir sicher. Aber ich wollte keinen in die Bredouille bringen, falls die Polizei uns auf die Schliche käme. Ich hatte Gott weiß schon genug Angst um Roberto und Rudy.
    Als sich kein Grashalm mehr regte, schlichen wir uns aus dem Wagen.
    Eine Tür quietschte. Wir erstarrten. Rudy schnappte hörbar nach Luft. Alle wirbelten herum und suchten die Gegend nach einem Menschen ab, der uns, die Totengräber, möglicherweise beobachtete.
    Wir kontrollierten die Bäume, den dunklen Horizont, die Hütten der Farmarbeiter, und als unsere Herzen wieder langsamer pochten, tappten wir verstohlen auf Zehenspitzen zum Kofferraum meines Broncos.
    Ich entriegelte das Schloss, und wieder schauten wir in alle Richtungen und hielten nach verdächtigen Personen Ausschau. Als wir keine lauernden Zuschauer entdecken konnten, machten wir uns an die Arbeit.
    Im Kofferraum lag die Leiche des Migrantenschrecks. Es roch nach totem Fisch und verrottendem Fleisch.
    Unwillkürlich schlugen wir die behandschuhten Hände vors Gesicht. Rudy ging zu einem Baum – auf Zehenspitzen – und übergab sich. Als er zurückkehrte, klopfte Rosvita ihm auf den Rücken.
    Ich machte den anderen ein Zeichen, dass alle gemeinsam den Toten herausziehen sollten. Lange Zeit rührte sich niemand. Die Dunkelheit bedrängte uns noch mehr, die Stille war erdrückend.
    Ich machte einen Schritt auf die Leiche zu, und schließlich folgten die anderen mir. Jeder fasste mit an, aber Rudy keuchte schon wieder und musste loslassen. Wir schoben den Toten halb zurück in den Kofferraum, machten einen Schritt nach hinten und warteten ab, bis Rudy den Rest seines Mageninhalts ausgewürgt hatte.
    Auch ich spürte Galle in mir aufsteigen, aber drängte sie zurück. So eine drohende Haftstrafe konnte dafür sorgen, dass man seinen Körper in null Komma nichts nicht mehr unter Kontrolle hatte.
    Als Rudy zurückkam, packte ich den Migrantenschreck unter der rechten Schulter, Ricardo unter der linken, die beiden anderen übernahmen die Beine. Wir hoben ihn an, ließen ihn fallen und zogen ihn an den Füßen zum Loch hinüber. Kurz hielten wir inne. Der Geruch der sich zersetzenden Fäkalien war überwältigend und überlagerte alles. Dazu der Gestank der Leiche – es grenzte an ein Wunder, dass wir noch aufrecht standen.
    Tory hatte das gesamte Klohaus in einen auf Fakues Kosten bestellten Müllcontainer geworfen und einen Großteil des Drecks und der Erde ausgegraben. Wir hatten ein schönes, tiefes Loch.
    Voller Ekel schüttelte ich den Kopf. Ricardo und ich wechselten einen Blick. Ich wusste, dass er meine Gedanken kannte.
    Zu fünft hoben wir die Leiche an und warfen sie in die tiefe Grube. Mit einem dumpfen Geräusch schlug sie auf.
    Jetzt erschien uns alles noch dunkler und stiller.
    Rudy und Roberto gingen zurück zu meinem Leichenwagen und holten den blühenden Kirschbaum. Wir anderen schleppten die Säcke mit Gartenerde heran, die ich gekauft hatte.
    Ich riss die Säcke mit den Händen auf, die Jungs und Ricardo taten es mir nach. Einen Sack nach dem anderen leerten wir auf den toten Migrantenschreck in der schwarzen Plastikfolie. Ich wusste, dass ich den Geruch dieses Mutterbodens niemals vergessen würde.
    Als so gut wie alle Tüten leer waren, setzten wir den Ballen des Kirschbaums ein und bedeckten ihn mit der restlichen Erde. Dann traten wir sie fest.
    Bevor wir verschwanden, warf ich einen Blick auf den Baum.
    Im Frühling würde er wunderschön aussehen, im März oder April.
    Und wann immer ich ihn betrachtete, würde ich an den verwesenden Migrantenschreck denken müssen.
    Ich wischte mir die Hände an meiner schwarzen Hose ab. Auch wenn mir diese Dunkelheit und diese laute Stille nicht gefielen, wusste ich doch, dass die Menschheit wahrlich besser dran war,

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