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Blau wie Schokolade

Blau wie Schokolade

Titel: Blau wie Schokolade Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Cathy Lamb
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Hände über meine Lippen. »Atme tief ein, sonst hyperventilierst du gleich! Einatmen, ausatmen, einatmen, immer schön der Reihe nach!«
    Becky sagte gar nichts, sondern drückte nur ihre Wange an meine. Ich spürte ihre Tränen auf meiner Haut.
    Emmaline klopfte mir aufs Knie. Als schließlich kein Schluchzer mehr aus der tiefen Trauer meines Herzens aufstieg, sagte sie: »Was hast du, Jeanne?«
    »Ich kann mir keinen Frieden vorstellen.« Allein das Bewusstsein, es nicht zu können, löste einen erneuten Weinkrampf aus.
    »Denk an einen Garten voller Rosen«, schlug Bradon vor, um mir zu helfen. »Kletterrosen, Teerosen, Zwergrosen. Ich kenne mich jetzt damit aus. Sie sind so friedlich!«
    »Denk an den Fluss hinter deinem Haus«, sagte Becky eindringlich.
    »Denk an einen stillen Ort mit weißen Wolken und einem Regenbogen«, beschwor mich Emmaline.
    »Was, Kleine, deshalb heulst du?«, fragte Soman. »Ich erzähl dir mal was, das Frieden bringt. Friede ist, wenn du weißt, dass du einen Mann mitten ins Gesicht triffst, den du schon seit Jahren hasst, wenn sein Blut dir ins Gesicht spritzt, Süße, wenn es unter deinen Fingernägeln sitzt, das ist ein herrlich friedliches Gefühl! Und wenn du so ein harter Mann bist wie ich und dich als Frau anziehst, komplett mit Perücke, und wenn du diesem Kerl dann einen Riesenschreck einjagst, dann ist das noch besser, das ist der Hammer!«
    Becky schnaubte verächtlich. Emmaline knurrte tief im Hals. Bradon sagte: »Ich geh nie wieder mit dir in die Kneipe, Soman. Nichts für ungut.«
    Und das kam mir so absurd komisch vor, dass ich lachen musste. Ich dachte an den total verdutzten Gesichtsausdruck des Typen mit dem Schweinegesicht, als Soman sich die Perücke heruntergerissen hatte und in all seiner Pracht mit seinen schwingenden Locken, dem hübschen Kleid und den Stöckelschuhen dastand und ihm mitten ins Gesicht schlug.
    Ich konnte gar nicht mehr aufhören zu lachen.
     
    Freitagabend fuhr ich wie immer langsam über die Brücke und ignorierte das Gehupe des Wagens hinter mir. Ich warf einen kurzen Blick auf die Stadt und musste zugeben, dass sie wunderschön war. Zwar besaß sie viel zu viele beängstigend hohe Brücken, und von mir aus hätten sie auch den Willamette River abschaffen können, Heimat von furchterregenden Loch-Ness-ähnlichen Ungeheuern und Riesenkraken, aber abgesehen davon war Portland herrlich. Schicke Hochhäuser in verschiedenen Formen und Farben, aber alles nicht zu bombastisch, eine Uferpromenade, zahllose Bäume und enorm viele einzigartige, interessante Plätze in der Stadt, die ihren ganz eigenen Oregon-Stil hatten.
    Als ich die Stadt mit ihren Vororten und funkelnden Lichtern verlassen hatte, säumten Bäume und Hügel die Straße. Mount Hood grüßte mich mit seinem Gipfel aus Schlagsahne. Ich parkte auf meinem angestammten Platz vor Rosvitas Haus und ging schnurgerade auf den friedlichen Fluss zu. Der Mond schien auf das Wasser hinab, die Eulen riefen sich etwas zu, die Bäume flüsterten in der kühlen Brise.
    Ich schlüpfte aus meinen braunen Samtschuhen, rollte die Beine meiner braunen Samthose hoch und steckte die Füße ins Wasser. Es war kalt und erfrischend. Langsam fiel der Stress der Arbeit von mir ab.
    Ich planschte mit den Füßen im Wasser.
    Die Sache mit Jay hatte ich in den letzten Wochen herunterzuschlucken versucht, aber feststellen müssen, dass es wohl einfacher gewesen wäre, einen feuerspeienden Drachen zu verschlucken. Je mehr ich über ihn wusste, je mehr Zeit ich mit ihm verbrachte, desto mehr mochte ich ihn.
    Ich hatte noch nie jemanden kennengelernt, der so mitfühlend und ehrlich war wie Jay. Die Mitarbeiter seiner Kampagne hatten eine Menge Dreck über seinen Rivalen Kory Mantel ausgegraben. Mantel gab sich als strikter Abtreibungsgegner aus, doch wir hatten eine Exfreundin von ihm ausfindig gemacht, die von Mantel zu einer Abtreibung gezwungen worden war, bevor er seine jetzige Frau kennenlernte. Die Exfreundin bereute es bitter bis zum heutigen Tage und war deshalb jahrelang in Therapie gewesen. Jetzt arbeitete sie sogar für eine Anti-Abtreibungs-Organisation, wo sie das durchlittene emotionale Trauma als Beispiel anführte, warum Frauen sich anders entscheiden sollten als sie.
    Für Schwule und deren Rechte hatte Mantel nur beißende Verachtung übrig, dabei war sein in Colorado lebender Bruder homosexuell. Er hatte dem Kandidaten nichts davon erzählt, und Jay war der Ansicht, dass es ein Geheimnis bleiben

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