Blau wie Schokolade
schießwütigen Spinnern davon.
Unsere Mitverschwörer waren starr vor Angst und hatten genug für den Abend. Wir fuhren nach Hause, hielten vor meinem Gästehaus, trugen die Leiche hinein und schleppten sie mit demselben Unbehagen wieder stolpernd und fluchend die Treppe hinunter.
»Und jetzt?«, fragte Rosvita.
Ich schüttelte den Kopf. Ricardo sah aus, als würde er jeden Moment weinen. Roberto und Rudy waren blass und erschöpft. Rudy legte den Arm um die Schultern seines Bruders, und Roberto versteckte sein Gesicht und schluchzte. Rosvita nahm die Jungen in die Arme und sagte, sie würde sich um alles kümmern, alles würde gut werden.
Ich lehnte mich gegen die Wand. Mir war übel. Speiübel, genau gesagt.
Mit einem Blick auf den eingewickelten Toten sagte ich: »Wir treffen uns morgen wieder hier.«
Wir trotteten die Treppe hinauf. Ich verschloss die Tür und musste dann über mich selbst lachen. Als ob die Polizei die Tür nicht eintreten könnte.
Eine Leiche loszuwerden ist kompliziert, so viel ist sicher.
Am nächsten Abend trafen Rosvita und ich die Lopez-Männer um elf Uhr am Fluss und unterhielten uns flüsternd wie Mafiabosse auf Englisch und Spanisch, obwohl niemand Rosvitas Spanisch verstand und ich nicht glaube, dass sie uns verstehen konnte.
Sie schlug vor, die Leiche auf einem großen Scheiterhaufen zu verbrennen.
Ich wies sie darauf hin, dass offenes Feuer nicht erlaubt war und eine schwarze Rauchwolke einfach zu viel Aufmerksamkeit erregen würde.
Roberto wollte den Migrantenschreck in eine Truhe stecken, sie zunageln und im Meer versenken.
Das war eine gute Idee, natürlich ein Klischee, lohnte aber, erwogen zu werden.
»Das Problem dabei ist, dass ich für den Rest meines Lebens Angst hätte, die Truhe könnte an die Oberfläche kommen«, sagte Rudy.
Allerdings, das konnte passieren.
»Wir könnten ihn unter Beton begraben«, schlug Ricardo vor.
Das wäre auch keine schlechte Idee. Es klappte schließlich bei der Mafia, also vielleicht auch bei uns. Den Beton könnten wir vor Ort kaufen, ein Loch graben, die Leiche hineinwerfen und den Beton draufgießen. »Aber wo wollen wir ihn vergraben?«, fragte ich.
Alle dachten an den aufregenden Abend zuvor.
»Wir könnten woanders hinfahren«, meinte Rosvita.
Das war eine Möglichkeit.
»Das Leben für die Leute im Lager wird deutlich besser sein, nun da er nicht mehr da ist«, sagte Rosvita und verschränkte die Finger. Ich verdrehte die Augen. Für solche Überlegungen war jetzt ja wohl nicht der richtige Zeitpunkt. »Wenn jemand das Grundstück kauft, reißt er mit Sicherheit diese Schuppen voller Keime und Ungeziefer ab. Niemand, keiner wird diese grausige Toilette mehr benutzen müssen. Ich glaube, die reiße ich ganz persönlich ab!«
Ich wurde von Erschöpfung überwältigt. Anscheinend verstand Rosvita nicht recht, in welch misslicher Lage sie sich befand. Sie hatte jemanden getötet. Ob er es verdiente? Ja. Leider war er nicht schon früher umgebracht worden. Trotzdem. Wenn sie gefasst würde, müsste sie mit einer sehr langen Haftstrafe rechnen, trotz mildernder Umstände. Ich ebenfalls, wegen Beihilfe. Die Lopez genauso. Die Jungen waren alt genug, um vor dem Gesetz strafmündig zu sein.
Ich barg den Kopf in den Händen und zermarterte mir das Hirn.
»Diese Toilette war eine Schande«, fuhr Rosvita fort. »Am besten, wir reißen sie ab und feiern das mit einer großen Party!«
Eine Klohaus-Party.
Am liebsten wäre ich schreiend davongelaufen.
Doch dann traf es mich.
Ich schaute Rosvita an. Sie zählte alle Keime auf, die in so einem Abtritt lauern mochten, dazu Schlangen und Ratten, die in ahnungslose Hinterteile bissen.
»Ich weiß, wie wir die Leiche loswerden«, flüsterte ich.
Eine Superidee!
Jetzt wusste ich, wo wir den Migrantenschreck vergraben würden. Es wäre ein passender Platz.
Angemessen für einen riesengroßen Bazillus.
Auf den von Rosvita gefertigten Einladungen stand: »Pöttchen-Abrissparty«. Das Papier war hellbraun und trug vorn ein Foto vom Klohäuschen des Migrantenschrecks. Alle waren eingeladen, nach dem Abriss zum Feiern zu Rosvita zu kommen und mitzubringen, was sie im Haus hatten. Zur allgemeinen Unterhaltung würde der ehemalige Opernsänger Donovan Arien zum Besten geben. Ricardo versicherte uns, dass alle aus dem Migrantenlager teilnehmen würden. An dem Abend durfte keine Menschenseele im Lager bleiben, damit wir unbeobachtet vorgehen konnten.
Alle Teilnehmer würden
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